Kapitel 2 - Schülerschule 2.0

Schülerschule 2.0 oder der Flügelverleih

Irgendwann kam eine Schülermutter auf uns zu, die nachfragte, ob wir nicht vielleicht eine Hausaufgabenbetreuung organisieren könnten. Und natürlich konnten wir mit unserem Konzept fausteams auch solch ein Angebot organisieren. Wir hatten genügend Schüler:innen in unserem Konzeptnetzwerk, die gerne Hausaufgabenbetreuung machen wollten. Anders als bei den bisherigen Projekten unserer „Schülerschule“ war diese Arbeit dann bezahlt. 5€ die Stunde … ähnlich einer damaligen Nachhilfestunde von Schüler:innen für Schüler:innen. Es sollte ja nicht davon abhängen, ob gerade genug Aktive Lust zu einem solchen Projekt hatten. Als dann offiziell für Gymnasien eine Ganztagesbetreuung vorgeschrieben wurde, waren wir schon im Geschäft. Wir mussten unsere Hausaufgabenbetreuung einfach nur erweitern und hatten sehr schnell erkannt, dass unsere eigenen Schüler:innen wesentlich besser, effektiver, auf Augenhöhe, professioneller und erfolgreicher Fünft- und Sechstklässler:innen nachmittags betreuen konnten als ehrenamtliche Erwachsene, die sich für diesen Job gemeldet hatten. Also bezahlten wir unsere eigenen Schüler:innen mit den Jugendbegleiterprogrammgelder, die man dafür bekam und waren hochzufrieden. Im pädagogischen Schweizermesser auf Seite 210 hört sich das so an: „ … zukünftige Lehrer/innen, Sozialarbeiter/innen und alle, die gut in Personalführung sind waren aufgerufen. Der Schulträger stellte eine Sozialarbeiterin ein, die für die Betreuung verantwortlich zeichnete ... wir rundeten mit einem dynamischen Lehrerteam das Ganze ab und begannen unsere Arbeit. Ich denke, schon allein wenn man sich die Größe unseres damaligen Flügelverleiteams ansieht - bis zu 80 Coachs, eine Sozialarbeiterin und 5 Kolleg/innen - dann kann man sich mit unserer Vorgeschichte gut vorstellen, was sich entwickeln konnte. Freie Hand von der Direktion, kurz danach eine eigene Sekretärin (für eine Schullsekretärin gab es offiziell Stunden für die Nachmittagsbetreuung der Kleinen) und ein Schüler/innenkollegium, das nur so vor Kraft strotzte. Ja ich muss im nachhinein feststellen: wenn ich die beiden spannendsten Zeiten meiner Faustlaufbahn benennen soll, dann heißen sie Schülerschule 1 und 2. Flügelverleih war für mich der Schritt vom rein Außerunterrichtlichen in den Bereich des Unterrichtens. und das mit Schüler/innen, die andere jüngere Schüler/innen unterrichteten. Wir hatten das Fünferhaus genutzt, waren als Lehrpersonen die Coachs unserer Schülercoachs, die “Arbeit am Fünftklässler” in den Klassenzimmern lag aber komplett in der Hand der Coachs. Wir veranstalteten eigene päda- gogische Abende für unser großes Team, hatten jeden Tag vor dem Einsatz ein kurzes Review zur letzten Runde und ein Standup zum aktuellen Nachmittag (würden die Scrumler sagen) und waren hochzufrieden mit unserer Arbeit. Und sie entwickelte sich immer weiter und erfand sich unentwegt neu.“

Unsere Arbeit im Flügelverleih war - da völliges Neuland - noch durch keinerlei Regelungen gedeckelt und ein durch und durch erfolgreiches entwicklungeorientiertes Projekt. Der Erfolg hatte sich auch außerhalb der Schule schnell herumgesprochen, sodass gute und erfahrene Flügelverleihcoachs, die drei Jahre bei uns gearbeitet hatten, damals von der PH Freiburg ihr Coachdasein (Belegt durch unsere Zertifikate - „Das pädagogische Schweizermesser“ S. 97) mit der Anerkennung als zwei Praxissemestern berechnet bekamen. Spätestens mir dem Flügelverleih war mir klar, dass Schule die Fähigkeiten ihrer fähigen Schüler:innen auch zu Unterrichtszwecken nutzen kann. Als WinWin Geschichte. Denn beide Seiten profitieren enorm. Uns ging es damals sehr, sehr gut in unserer kleinen Schule in der Schule. Mit der Freiheit, entwickeln zu dürfen und mit der Lust, entwickeln zu wollen, war unser Lehrer:innenleben dort enorm genussvoll. Und befriedigend. 

Split4WinWin

Nach meiner Pensionierung als Luuise-Coach und ausgestattet mit den Erkenntnissen von Willy Wijnands eduScrum habe ich in Fortbildungen als Schnupperübergang Split4WinWin „erfunden“. Auf Seite 235 im pädagogischen Schweizermesser steht dazu: „Wir machen hier einen Vorschlag:

splitwinwin. Die Unterforderten des Unterrichts selbst laufen lassen. Mit eduScrum-feeling. Eine Methode, die man erlernen kann, um auch ganze Klassen selbstorganisiert für ihre eigene Bildung veranwortlich zeichnen zu lassen - aber das bitte nur mit Trainer/in. eduScrum ist keine Methode, die man eben so mal macht. Zum Schnuppern und nur mit ein paar Unterforderten seiner eigenen Klasse, einfach um ein erstes Gefühl dafür zu bekommen, eignet sich Split4WinWin aber gut.“

Aus meiner heutigen Sicht Jahre später würde ich alles eigentlich noch viel „einfacher“ und positiver sehen. Von den Lehrer:innen, die Split4WinWin ausprobiert hatten, habe ich viele positive Rückmeldungen bekommen. Aber als Selbstläufer „gezündet“ hat es bisher nirgends. Auch eduScrum, eine extrem erfolgreiche Lehrmethode, wenn sie richtig angewendet wird, hat bisher nicht die nötige Streuwirkung erfasst. Einzelne Schulen, an denen sich das ganze Kollegium aufgemacht hat, neue Wege zu gehen und die Behörde dem zugestimmt hat, sind erfolgreich dabei. Meist also Privatschulen oder öffentliche Schulen mit einer Direktion, die für entwicklungsorientierte Bildung brennt. Entwicklungsorientierte Bildung ist nachgewiesenermaßen eine Methode, über die ChatGPT schon Bescheid weiß und mir auf die Frage Kannst du mir etwas über entwicklungsorientierte Bildung erzählen?“ antwortete: Entwicklungsorientierte Bildung ist ein Konzept, das sich auf die Förderung der körperlichen, geistigen, emotionalen und sozialen Entwicklung von Kindern konzentriert. Es geht darum, Kinder in ihrer Entwicklung zu unterstützen, indem man ihnen die Möglichkeit gibt, ihre Fähigkeiten und Interessen zu entdecken und zu entwickeln. Dies kann durch eine Vielzahl von Aktivitäten erreicht werden, wie zum Beispiel kreatives Spielen, Musik, Sport, Naturwissenschaften und soziale Interaktionen. Es legt auch den Schwerpunkt auf die Förderung von Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl und Unabhängigkeit bei Kindern.“ Und ein paar Tage später meinte ChatGPT auf die Frage: „Ist entwicklungsorientierte Bildungsansatz erfolgreich?“- „Ob der entwicklungsorientierte Bildungsansatz erfolgreich ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. dem Kontext, in dem er angewendet wird, und den individuellen Bedürfnissen und Zielen der Schüler oder Studenten. In der Tat gibt es Studien, die den positiven Einfluss von entwicklungsorientierter Bildung auf die Leistung und Motivation von Schülern und Studenten zeigen. Ein solcher Ansatz fördert beispielsweise die Selbstständigkeit, die Kreativität und die Fähigkeit, Probleme selbstständig zu lösen. Andererseits kann es auch Situationen geben, in denen ein traditionellerer Ansatz besser geeignet ist, je nach individuellem Lernstil und den Anforderungen eines bestimmten Faches oder Kurses. Es ist daher wichtig, dass Bildungseinrichtungen einen flexiblen Ansatz verfolgen, der auf die individuellen Bedürfnisse und Ziele der Schüler oder Studenten abgestimmt ist und verschiedene Ansätze und Methoden kombiniert, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen.“

Und dann habe ich weiter gefragt: „Kann der traditionelle Ansatz des Unterrichtens noch gut mit den neuen Herausforderungen von ChatGPT und anderen KI-Tools umgehen?“ Das KI-Tool meinte: Der traditionelle Ansatz des Unterrichtens kann auch in Verbindung mit KI-Tools wie ChatGPT wirksam sein. Es hängt davon ab, wie KI-Tools eingesetzt werden, um den Unterricht zu ergänzen und zu unterstützen. KI-Tools können zum Beispiel dazu beitragen, den Unterricht personalisiert und ansprechender zu gestalten, indem sie Schüler oder Studenten auf individuellem Niveau ansprechen und individuelles Feedback geben. Sie können auch die Effizienz des Unterrichts erhöhen, indem sie den Lehrer unterstützen, beispielsweise bei der Überwachung des Fortschritts der Schüler oder bei der Organisation von Übungen und Tests. Allerdings sollte man darauf achten, dass KI-Tools keinen Ersatz für den menschlichen Lehrer darstellen und dass die Interaktion zwischen Lehrer und Schüler auch in Zeiten von KI-Tools von großer Bedeutung bleibt. Daher kann man sagen, dass eine Kombination aus traditionellem Ansatz und innovativen Methoden wie dem Einsatz von KI-Tools besonders effektiv sein kann.“

ChatGPT geht hier sehr wohlwollend mit dem traditionellen Ansatz um … 😎😎😎 vielleicht sucht es sich seine Informationen aus den Beschreibungen in Bildungsplänen, wie individualisiert und schülerorientiert Unterricht sein sollte. Denn klar: Auch lehrerzentrierter Frontalunterricht in einer Inputphase ist erfolgreich und widerspricht überhaupt nicht entwicklungsorientierten Ansätzen des Unterrichtens. So wie ChatGPT hier den klassischen Unterricht wohlwollend beschreibt, ist „klassisch plus ChatGPT = entwicklungsorientiert“. Ja wenn es doch nur so einfach wäre, die Enge des heutigen Bildungssystems mit einem KI-Tool zu sprengen.