Ein paar Überlegungen eines Ehrenamtlers

Zwei Jahre habe ich mir dieses "Ankommen in Deutschland" nun angesehen. Habe es in einem Flüchtlingsheim zusammen mit einem Team von Ehrenamtilichen organisiert, dass ein paar syrische Kinder eine recht gute Startbasis in eine erfolgreiche schulische Zukunft bekommen. Eine erste Hausaufgabenbetreuung im neuen Land. Wir haben tolle Menschen dabei kennengelernt. Kinder, die in kürzester Zeit fließend Deutsch gesprochen haben. Erwachsene, die sich sehr schnell in dieses Land eingedacht haben. Gemerkt haben, dass sie Deutsch sprechen können müssen, egal, ob sie für immer hier bleiben wollen oder nach dem Krieg in Syrien wieder zurückgehen werden. Um ihre Heimat aufzubauen. Mit der Kraft, die sie hier in Deutschland getankt haben. Mit den Kompetenzen, die sie inzwischen hier in Deutschland entwickeln konnten. Ich habe viel von diesen Menschen gelernt. Die aktiven Familien haben sich schnell aus dem Flüchtlingsheim verabschiedet. Hatten Konzepte, wie sie das Lernen ihrer Kinder in der Schule und ihr eigenes Lernen kombinieren können. Wie sie sich Arbeitsbereiche erobern konnten, in denen sie "Deutsch tanken" konnten. Im weitesten Sinne des Wortes. Außerhalb des Flüchtlingsheims erkennt man schnell - wenn man offen in seine Nachbarschaft schauen kann - dass man auch als gläubige Muslimin ohne Kopftuch leben kann. Dass in Deutschland ein Grundgesetz existiert, das den eigenen Glauben schützt. Man erkennt auch schnell, dass Frauen und Männer mit derselben Selbstverständlichkeit ihr eigenes Leben leben können. Mit einer so großen Freiheit, die manchmal den Atem nimmt, weil man sie nicht gewohnt ist. Aber manche werden das hinbekommen, da bin ich sicher. Können Europäer in Deutschland werden. Oder in fünf Jahren europäisch nach Syrien zurückfinden, um das Land dort als starke Persönlichkeiten wieder aufbauen zu helfen.

Aber wir haben inzwischen auch Menschen kennengelernt, die sehr verloren in diesem freien Land leben. Weil sie zwar brav ihre Deutschkurse absolvieren oder schon absolviert haben, aber noch nicht verstanden haben, dass es mehr bedarf. Mehr Einsatz. Mehr Auseinandersetzung. Mehr Mut. Das defensive Verstecken im Flüchtlingsheim ist leider keine Langzeitoption. Wer weiß denn schon, wie sich dieses Land politisch weiterentwickeln wird. Wie sich die Lage der Flüchtlinge in den nächsten 10 Jahren entwickelt. Deshalb sollte man die, die inzwischen hier in Deutschland gestrandet sind, um sich ihre Leben und ihre Zukunft zu retten, aber noch nicht genügend eigene Aktivität entwickeln konnten, um genügend Deutsch zu tanken, dabei unterstützen. Vielleicht ja mit einem FluchtScrum. :-) Wer diese Flucht organisieren konnte, kann auch einen eigenen Lernprozess organisieren. Behaupte ich. Also wenn er oder sie will. Klar. Aber wenn er oder sie nicht weiß, wie, dann steht er oder sie vor einem riesigen Berg.

Ein paar zusätzliche Probleme

Also die klassische Konstellation. Da kommst du als syrischer Mann - der es gewohnt ist, dass er etwas ist, weil er ein Mann ist - in dieses verrückte Deutschland, in dem es eine Bundeskanzlerin gibt und eine Verteidigungsministerin und in dem er auf lauter Frauen trifft, die ihm ehrenamtlich helfen wollen. Und im Vergleich dazu auf ganz wenige helfenden Männer. Da kommst du also mit deiner Familie, in der die Rollen klar verteilt sind, in ein Land, in dem die Rollenverteilung ganz anders tickt. Da kommt es plötzlich auf die Leistungsfähigkeit an, die man einbringen kann. Dann merkt man, wie die eigene Tochter in der Schule am eigenen Sohn vorbeizieht. Obwohl doch der Sohn der Mann ist. Und wie die eigene Frau leichter Deutsch lernt. Eine innerfamiliäre Schieflage. Eine echte Herausforderung an jeden syrischen Mann. Und dann spielt in diesem verrückten Land die Religion zwar eine geschützte aber eine unwesentliche Rolle im Alltag. Auch das noch. Das ist so , als wäre ein Mann mit seiner Familie aus dem Jahre 1617 in eine Zeitmaschine gestiegen und in unserem Land angekommen. Hiiiiiiiilfe. Das ist eine echte programmierte Schieflage.

Deshalb: Es gibt zwei gute Möglichkeiten, wie man diese Schieflage lösen kann:

Einige Erwachsene werden den Zeitsprung schaffen. Werden europäisch deutsch werden können. Den Zeitsprung aus eigener Kraft hinbekommen. Weil sie vielleicht auch schon in Syrien ziemlich europäisch gelebt haben.

Die Kinder schaffen es natürlich locker, wenn ihre Eltern sie in dieses europäische Deutschland loslassen können. Wenn sie sie nicht familiär religiös einsperren und mit in eine Parallelgesellschaft im europäischen Deutschland mitnehmen wollen.

Und die zweite gute Möglichkeit: Man sieht diesen Aufenthalt in Deutschland einfach wie ein Trainingslager für die eigenen Fähigkeiten, die man weiterentwickeln will. Internationalität in einer globalisierten Welt verstehen lernen. Um nach dem Krieg in Syrien aktiv dabei zu sein, seine eigenen besten Erfahrungen aus dem Trainingslager mit in seine Heimat zu nehmen, um dort die eigene Zukunft glorreich zu machen. Ein wunderbarer Traum einer wunderbaren Zukunft.


Der FluchtScrum

Ja klar, ich wäre nicht Otto Kraz aus Weit im Winkl, wenn ich nicht versuchen würde, nach besseren Möglichkeiten zu suchen, dass Geflohene diese schwierige und scheinbar so endlose Deutschtankentreppe (Siehe Bild) leichter erklimmen können. Mit ein paar gestückelten Sätzen aufzuhören, das macht einfach keinen wirklichen Sinn. Die Zeit ist vorhanden, die digitalen Möglichkeiten sind vorhanden, die EduScrum-Idee ist vorhanden. Warum also nicht mal einen Versuch mit einem FluchtScrum wagen.

Damit man ihn von einem normalen Smartphone aus besser bedienen kann, werde ich auf eine andere Internetseite ausweichen. www.faust-digital.jimdo.com. Ich nutze diese Seite immer mal wieder für die verschiedensten Problemstellungen. Versuchen Sie also keine Beziehung vom Namen der Seite zu dem Thema FluchtScrum zu ziehen. (Wir haben vor drei Jahren am Faust mit dieser Seite einen Versuch gestartet: Tablets für alle Schüler&innen und was man damit für Erfahrungen macht ...... )         Gruß   Otto Kraz