Kapitel 33 - Mit Schülerassistent:innen arbeiten

33 Entwicklungsorientiert mit Schülerassisten:innen arbeiten

Nein, das ist überhaupt nicht einfach. Schule ist unseren Köpfen eingraviert als ein Ort, an dem Lehrer:innen den Ton angeben, weil sie ja studiert haben und damit das Wissen besitzen. Seit der Zeit, als man das wirklich so auch sagen musste, hat sich viel verändert. Wenn das Wissen irgendwann so schnell für jeden abrufbar ist wie heute schon die Rechtschreibung über Rechtschreibprogramme, was heißt das für den Ort Schule? Man muss ehrlicherweise sagen: Der Umgang mit IT und KI fällt doch jungen Menschen leichter als älteren. Also Schüler:innen leichter als Lehrer:innen. Klar wird das komplexe Wissen im Kopf auch in 50 Jahren noch eine wichtige Rolle spielen, also wird man auch immer Lehrer:innen in Schulen brauchen, aber ihre Rolle wird sich radikal ändern müssen. Es tut vielen in der Seele weh, Abschied nehmen zu müssen von der guten alten Schulzeit, in der man sein Wissen von einem Schulmeister übermittelt bekam. Die Zukunft der Schule wird ein gemeinsames Umgehen mit dem Wissen der Welt zur individuellen Förderung der Lernenden und der Lehrenden sein. Denn auch Lehrende müssen sich immer schneller an die Veränderungen der digitalisierten Welt anpassen müssen. Und das geht man besten zusammen mit den Lernenden, weil sie mit ihrem Hochleistungsgehirn die besten Assistenten sind. Pubertät und Persönlichkeits-Entwicklung werden trotzdem immer wieder Kapriolen schlagen, weshalb die Lehrerrolle genau hierauf fokussiert sein wird. Und auf die komplexe Einordnung der komplexen Herausforderungen der Zukunft. Ja ich weiß. Tut weh, aber es gibt eben keine Zeitmaschine, in der man sich in Rühmanns Feuerzangenbowle-Zeit zurückbeamen lassen kann.

Entwicklungsorientiert mit Schüler-Assist:innen zu arbeiten, das wird eine große Herausforderung der Schulen werden, die diesen Schritt wagen. Dieser Schritt muss von Anfang an zusammen mit allen Schüler:innen gegangen werden … es darf nicht wie sonst üblich an Schulen, an pädagogischen Tagen geplant werden, was man dann später Schüler:innen Gutes tut will. Denn es ist ja eine große Aufgabe, die man Schüler:innen mit diesem Schritt aufbürdet. Entwicklungsorientiert Schule machen bedeutet für Schüler:innen viel mehr Einsatz und Arbeitsaufwand … dazu müssen sie bereit sein und dafür müssen sie die Umsetzung mit planen. Klar könnte man jetzt anfangen, einen theoretisch funktionierenden Stundenplan für eine Klassenstufe oder die ganze Schule zu entwerfen, wie und wann Schülerteams als Lehrerteams ins Rennen geschickt werden. Aber entwicklungsorientierte Schule ändert sich Jahr für Jahr - je nach Schülerpersönlichkeiten, die nachrücken und andererseits die Schule verlassen. Ein lebendiger Organismus, keine starre Lehranstalt mehr.  Eine dauernde Auseinandersetzung und keine festen Lehr- und Stundenpläne. Ein Paradigmenwechsel bei der Lehrerrolle und der Schülerrolle. Die Fähigkeiten von Schüler:innen und die Fähigkeiten von Lehrer:innen zusammenpacken, um … 

ja warum eigentlich? 

Ich könnte jetzt viele Gründe anführen: Für meine Urenkelkinder würde ich mir wünschen, dass sie sich auch in dieser bis dahin so stark veränderten Welt wohlfühlen können … und dafür sollte Europa mit seinen Grundwerten wirtschaftlich stabil genug bleiben. Bildungs-Freiheit contra Disziplin und Drill … ja das würde ich mir für unsere Nachfahren wünschen. 

p.s. Ich habe, fällt mir gerade noch ein, diese erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Schüler-Assisten:innen und Lehrer:innen natürlich auch selbst erlebt zu haben. Im Flügelverleih - Kapitel 2. Unsere pädagogischen Sitzungen mit den Lerncoachs waren für mich echte Jungbrunnen für die pädagogische Arbeit. Und das bei Schüler:innen ab der 9. Klasse. Sensationell, wie lehrerfähig manche  Schüler:innen sind. :-)