Sitzenbleiben war gestern

Liebe Leser:innen dieses Nischen-Blogs eines schon lange pensionierten Schulmeisters, der aber noch immer seine entwicklungsorientierten Konzepte „von früher“ in der Jetztzeit einbringen kann, was ihm auch tatsächlich noch viel Spaß macht. Denn da vor 20 Jahren viele meiner pädagogischen Ansätze noch irritiertes Kopfschütteln unter vielen meiner Kolleg:innen ausgelöst hatten, erfahre ich heute eher ein hoffnungsfrohes wildes Kopfnicken, allerdings oft gekoppelt mit der Aussage: „Aber in meiner Schule ist das doch kaum umsetzbar.“

 

Seit etwa 20 Jahren hat mich z.B. ein metakognitives Versetzungskonzept nicht mehr losgelassen, das wir am Faust-Gymnasium eher durch Zufall aus der Taufe gehoben und damit jahrelang die Durchfallquote an unserer Lehranstalt halbiert hatten. Beim ersten Mal gab es noch großen Beifall in der Lehrerkonferenz. Wir hatten es geschafft, sicher mehr als 20 Schüler:innen sich selbst in den letzten Schulwochen mental so stark pushen zu lassen, dass sie am Ende versetzt wurden. Ohne Nachhilfe, ohne große Mehrarbeit, ohne mit den Fachlehrer:innen verhandeln zu müssen - nur durch eine Blickwinkeländerung auf Schule und das eigene Lernen.

 

In den Jahren darauf müssen es wohl meist rund 10 Schüler:innen gewesen sein, denn statt der im Schnitt üblichen 20 Nichtversetzungen (2% der Gesamtschüler:innenzahl) waren es dann einige Jahre lang nur noch die Hälfte. Und das, obwohl wir das Konzept extrem reduziert hatten: 

Eine persönliche Einladung an alle Versetzungsgefährdeten, eine Doppelstunde Input in Sachen: „Wie schaffe ich es, mich selbst in einigen Wochen aus der Gefahrenzone zu bewegen“ … immer zusammen mit Ex-Versetzungsgefährdeten, die ernsthaft aus eigener Erfahrung berichten konnten. Und ich hatte immer ein jährlich neues kleines Projekt-Feedback-Heft zusammengestellt, das den Prozess begleiten konnte. Wenn man es wollte. Denn wer will, kann noch in den letzten 4 Wochen echte Wunder vollbringen.

 

Ein kleines Konzept mit großer Wirkung für ein paar Schüler:innen, die nach solch einer Selbsterfahrung meist weiter durchstarten konnten. 10 sich selbst versetzende Schüler:innen, das fällt an einer Schule mit 1000 Schüler:innen ja eigentlich niemand auf. Aber für mich war es immer ein gutes Gefühl, einzelne junge Menschen zu erleben, die vom Standstreifen auf die Überholspur wechseln konnten. https://www.aufeigenefaust.com/brain/archiv-feedbackprojekte/


Seit 20 Jahren habe ich diese Hefte samt veränderten Ideen immer wieder neu aufgestellt … am Ende oft nur noch als pdf verschickt … habe später dieses Konzept metakognitiver Strategien zum sich selbst aus dem Sumpf ziehen in Baselland im Rahmen von Lehrerfortbildungen weitergegeben. Später durfte ich sogar einmal einen Online-Großversuch starten. 77 Versetzungsgefährdete an 17 Schulen in Baselland durften nicht sitzenbleiben … durch die „große Harmonisierung“ des kantonalen Schulsystems gab es keine Klassen, in die die 77 hätte  sitzenbleiben können. https://faust-digital.jimdofree.com/das-versetzungsprojekt/

 

Und ja, mein Kopf lässt nicht locker. Und genießt es, zu wissen, dass mit meinen kleinen Ideen und Heftchen ein paar Schüler:innen ein völlig nutzloses Wiederholungsjahr links liegen lassen und danach erfolgreich durchstarten können. Dieses Konzept verbessert am Ende die Abschlussnoten erfolgreich, Sitzenbleiben garantiert nicht. 


Nebenbei erwähnt fühlt es sich gut an, zu wissen, dass jede Versetzung 10.000 € an Steuergeldern spart. Mal niedrig gerechnet: 20 Jahre à 10 Schüler:innen à 10.000 € sind immerhin 2 Millionen €. 🥳😎💪👍

 

Na ja, als Aktivpensionär an der Hochschule für agile Bildung in Zürich - Team Weiterbildung - bleibe ich natürlich bei meiner alten Tradition. Es kommen im Bildungsbereich immer neue Erkenntnisse dazu. Deshalb: In diesem Jahr heißt mein Heft für die letzten Wochen des Schuljahres (Baden-Württemberg und Bayern) „Sitzenbleiben war gestern“ und natürlich sind unsere wirksamen Fünf aus Zürich dabei mit im Boot.

 

Meine Bitte an meine Leser:innen: Schickt diesen Blog-Link bitte an Mamas oder Papas, von deren Kindern ihr wisst, dass sie in akuter Versetzungsgefahr schweben. Ihr spart damit uns Steuerzahler:innen locker 10.000 €. Und wenn ihr Glück habt, bekommt ihr irgendwann später einmal von einer erfolgreichen Fachfrau oder einem erfolgreichen Fachmann der Zukunft ein fettes Dankeschön für diesen Tipp. Denn eines kann ich versprechen: Wenn man es schafft, selbstständig kurz vor dem Sitzenbleiben noch das Steuer herumzureißen, dann verändert sich die eigene Schulkarriere grundsätzlich. Und zwar erfolgreich. Tatsache ist allerdings auch: Wer den eigenen Willen nicht aufbringen kann, dem nützt dieses Heftlein auch nichts. 

 

Genug geschrieben. Hier kommt der Vorabdruck für den schnellen Lese-Einstieg … zum Ausprobieren für junge Menschen in höchster Not, ob die Sitzenbleiben-war-gestern-Idee den eigenen Willen aus der Versenkung holen kann. Wenn ja, dann lohnt sich das DIN A4 Heft von epubli komplett. Ist ja immerhin lebensverändernd und liegt viel besser in der Hand als die eigenen Ausdrucke. 

 

Ich drücke die Daumen … und schicke gleich mal einen Trost an die Eltern mit, die sich Hoffnung gemacht hatten, dass ihr Sohn oder ihre Tochter anbeißt: Sitzenbleiben ist zwar unnötig, aber kein Untergang. In Bayern sind es sogar 4% Wiederholer:innen, die eine Ehrenrunde drehen.

 

Otto Kraz 

Download
Versetzung war gestern
Ein digitaler Einblick in das Versetzungsheft
Versetzung 2025.pdf
Adobe Acrobat Dokument 4.1 MB

In Kürze ist hier der Link zur Bestellung des Heftes bei epubli zu finden.