SPLITUP2WIN - eine Vertiefung

Warum es an der Zeit ist, über Agilität in der Schule nachzudenken

 

Dies sind vertiefende Überlegungen für die Teilnehmer/innen des Scrum-Days in Stuttgart  – deshalb für Blogformat eigentlich viel zu lang, aber vielleicht trotzdem für Interessierte in Sachen agiles Lernen und Lehren ein guter Einstieg – also bitte nur anfangen zu lesen, wenn die Zeit dazu da ist. Und sorry – es ist auch nicht so wirklich ausformuliert. Eher spontan in die Tasten gehauen, das mein Kopf zu der Veranstaltung zu SPLITUP2WIN gerade so alles ausspuckt. Damit der Workshop am Dienstag in Ruhe vertieft werden kann, so man will.                 

Heinz Bayer        9. Mai 2018

 

 

 

Kapitel 1 - Schule, Gehirn-Software und das agile Manifest

 

 

 

Würde ein heute sechsjähriger Junge, nennen wir ihn Otto, in die Steinzeit zurückgebeamt, dann würde er mit all seinem vorschulischen Wissen dort zu den Intellektuellen gehören. Noch ein wenig Muskelwachstum und Schnelligkeit für die Jagd und Otto würde zu den Leistungsträgern seiner Zeit gehören.

 

 

 

Um heute zu den Leistungsträgern unserer Zeit zu gehören, benötigt man ein ziemlich gewaltiges Softwareupdate seines körpereigenen Computers namens Gehirn. Klar, alles was Otto in der Steinzeit ausgemacht hätte, das macht ihn auch heute aus. Mit oder ohne Update. Wie charmant, wie schlagfertig, wie liebenswürdig, wie aufbrausend, wie merkfähig, wie kommunikativ, wie sozial, wie groß, wie gut aussehend, wie ... na ich denke, man versteht, was wir meinen ... das hat in erster Linie nichts mit diesem gefragten Software-Update für die heutige Zeit zu tun.

 

 

 

Wir Menschen wollten schon immer optimieren. Das macht uns offensichtlich aus. Wie optimiert man aber das Entwickeln neuer Software bzw Verbessern vorhandener Software? Also wie kann man Lernen optimieren?

 

 

 

Schauen wir doch einfach mal in die IT-Branche. Also Silicon Valley und so. Da war lange Zeit ein Konzept im Einsatz, das man Wasserfall-Modell nennt: Abarbeiten von vorgefertigten Planvorgaben - platt ausgedrückt. In der IT-Branche ist das schon lange nicht mehr der Normalfall, weil das Wasserfall-Konzept viel zu viele Probleme erzeugt, sodass sich durch den freien Markt der verschiedenen Anbieter von Software viele Firmen schnell zum Optimieren aufmachten, weil Softwarefirmen natürlich Software verkaufen wollen. Logisch. Ohne Kohle nix los. Deshalb ist diese Branche heute ziemlich agil aufgestellt. Weil eben optimaler für komplexe Prozesse aufgestellt. Und Softwareentwicklung ist hochkomplex. Deshalb gilt heute agil als normal: Keine langen Planvorgaben, kurze Entwicklungszyklen mit transparentem

 

Projektverlauf, Entwickler, die im Team und selbstorganisiert arbeiten ... weg vom Top down Prinzip ... eher Augenhöhe angesagt, weil dann die Fähigkeiten aller Mitarbeiter zum Tragen kommen. Um das Endprodukt möglichst optimal anbieten zu können. Undsoweiter undsoweiter.

 

 

 

 

 

Für die Softwarebranche ist das eine logische Folgerung gewesen, dass dort heute mit agilen Organisationsstrukturen wie Kanban, Scrum, Extreme Programming oder wie sie alle heißen, gearbeitet wird - mit den vielfältigen agilen Methoden, die alle auf dem agilen Manifest aufbauen. In dem es um Ausprobieren und Augenhöhe geht. Um Einbeziehung des Kunden und um ganz viel Kommunikation.

 

 

 

Was aber hat nun die Softwarebranche bitteschön mit Schule zu tun?

 

 

 

Nehmen wir den gebeamten Otto Steinzeit und den Heute-Otto. Zu einem überwiegenden Anteil identisch. Otto eben.

 

Der entscheidende Unterschied: Die aufgespielte Software.

 

Die Softwareentwickler: Das heutige Leben und - nicht so viel, wie man denkt, aber laufbahnentscheidend - die Schule. Also die Lehrer/innen. „Da fehlt doch das Entscheidende“, höre ich jemand einwenden: Richtig!!!!!!!! Der entscheidende Software-Entwickler ist der Besitzer des Computers. Also des Hirns. Man nennt ihn Schüler oder -in.

 

 

 

Zwischen der Steinzeit und heute fing das mit der Schule ja sehr bedächtig an. Ein paar wenige, die mit einem Hauslehrer lernen durften. Quasi eine kleine süße Lernmanufaktur. Eine kleine Werkstatt mit individuellem Lehren und Lernen. Was allerdings auch diese damals äußerst Bevorzugten meist so gar nicht als Vorzug empfanden. Da hat sich nicht viel geändert. Lernen war schon immer Arbeit. Ist einfach so.

 

Als man dann merkte, dass Bildung der Kids sich am Ende für alle rechnet und mit einer allgemeinen Schulpflicht eine Gesellschaft umgehend reicher wird, haben alle Regierungen, die was auf sich hielten, klar auf Bildung gesetzt. Natürlich nicht mehr individuell, aber zumindest gleich so fortschrittlich wie Henry Ford: Fließband. Standardisiert. Erfolgreich. Man wusste noch nicht so viel vom Mensch an sich und hielt den Trichter bezüglich Wissen aller Art für ein adäquates Werkzeug, mit dem der junge Mensch zu Bildung  kommt.

 

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Erst in Zeiten von Studien wie der von John Hattie erkennt man inzwischen eben nachweislich, dass der Computerbesitzer namens Schüler einen ganz wesentlichen Anteil an der Softwareentwicklung samt jedem neuen Update hat. Ja sicher, es war schon immer die Rede davon, dass die Verbesserung der Software auch damit zu tun hat, wie der Schüler den Lehrer schätzt. Dass man aber erkannt hat, dass der Hirnbesitzer der wesentliche Teil des Software-Entwicklerteams sein muss, das ist dann doch ein wenig neu. Hattie sei Dank. Und vielen anderen, die unermüdlich darauf hinweisen, dass Schüler ganz normale Menschen sind, nur eben im Moment noch jüngere. Dass Schüler deshalb auch genauso so ticken wie normale Menschen und ernst genommen werden wollen, wenn sie gute Software entwickeln sollen. Denn das kann man bei den Software-Schmieden lernen: Wenn du als Entwicklermensch selbstorganisierter arbeiten kannst, also mit im Entwicklungsboot sitzt, dann geht es dir besser und dann wird die Software besser. Oder wie es mit dem agilen Manifest ausgedrückt wird:

 

 

 

Wir erschließen bessere Wege, Software zu entwickeln,
indem wir es selbst tun und anderen dabei helfen.
Durch diese Tätigkeit haben wir diese Werte zu schätzen gelernt:

 

 

 

Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werkzeuge
Funktionierende Software mehr als umfassende Dokumentation
Zusammenarbeit mit dem Kunden mehr als Vertragsverhandlung
Reagieren auf Veränderung mehr als das Befolgen eines Plans

 

 

 

Das heißt, obwohl wir die Werte auf der rechten Seite wichtig finden,
schätzen wir die Werte auf der linken Seite höher ein.

 

Übersetzt in die Gehirnsoftwareschmiede heißt das: Schau erst mal, wie die Zusammenarbeit der Entwickler klappt. Also schau, wie das Team Schüler-Lehrer zusammen kommuniziert und stelle den Lehrplan mal in die zweite Reihe. (Sorry: Team Schüler*innen -Lehrer*innen ist mir gerade zu sperrig, das meine ich aber immer so) Und dann lege Wert auf eine solide wachsende Software und stelle die Noten dazu in die zweite Reihe. Stimmt ja auch. Weiß jeder, dass die früheren Schulnoten und die heutigen Kompetenzen als erwachsener Mensch und normaler Berufstätiger eher wenig miteinander zu tun haben. Dass man erkennt, wohin der Hase läuft, klar. Aber das war‘s dann auch schon. Jetzt wird es spannend beim Vergleich. Wer ist eigentlich der Kunde bei der Gehirnsoftwaredauerupdategeschichte namens Wissens- und Kompetenzschmiede Schule? Die Gesellschaft. Klar, die profitiert durch möglichst viele möglichst gut ausgebildete Köpfe. Deutschland ist ja nicht umsonst Exportweltmeister ... da stecken Köpfe dahinter, die durch Softwareschmieden gegangen sind.  Also bitteschön: Zuerst einmal Respekt für das deutsche Schulsystem. Hohes Niveau im weltweiten Vergleich. Wasserfallprinzip, Top Down, der eigentliche Chefentwickler sitzt bei Entscheidungsprozessen nicht mit im Boot. Trotzdem: Hohes Niveau. Nur dass klar ist, auf welcher Grundlage wir hier diskutieren. Wir waren beim Kunden, der beim agilen Arbeiten eine zentrale Rolle spielt, weil er bei der Softwareentwicklung mit kleinen iterativen Schritten (Beim Scrum heißen die Sprint) immer wieder mit einbezogen ist, damit er am Ende auch zufrieden ist. Das ist übrigens auch das zentrale Ziel bei der agilen Softwareentwicklung: Die Zufriedenheit des Kunden. Der Kunde sagt nicht erst nach einem Jahr Entwicklung etwas zum Endprodukt, sondern kann bei jedem Zwischenschritt Feedback geben und mit den Softwareentwicklern beschließen, die Richtung zu ändern, die Entwicklung anzupassen, wenn sich inzwischen Vorstellungen geändert haben oder Bedingungen, die man zu Prozessbeginn nicht absehen könnte. Früher war Loslegen ohne genauen Gesamtplan als unprofessionell verpönt. Heute ist es professionell, wenn Softwareentwickler mit einem groben Gesamtplan starten, um die Softwareentwicklungsschritte dann immer wieder kleinschrittig zu testen und optimiert anzupassen. Also: Der Kunde muss mit ins Boot. Wie soll das aber bei der Gehirnschmiede gehen? Die Gesellschaft mit ins Boot. Wir sagen: Die Gesellschaft sind die Bürger und die Bürger sind wir und wir sind normale Menschen und saßen alle mal in der Schule und waren auch da schon normale Menschen (auch wenn das die allermeisten von uns erwachsenen Menschen nicht auf dem Schirm haben ... verklärt war die Jugend eine tolle Zeit, aber sie wird für die überwiegende Mehrheit nur bei sich selbst wirklich ernst genommen, ohne das zu verbalisieren) Die erwachsenen berufstätigen Bürger der heutige Gesellschaft verbrachten also alle einmal als eigentlich sehr ernst zu nehmende Software-Chefentwickler in einer Schule ... zusammen mit Softwareentwicklungs-Coaches namens Lehrer*innen. In den Schulen vor einigen Jahrzehnten saß also die ganze Gesellschaft der Jetztzeit in jung. Soll heißen, wenn man das agile Manifest übersetzt und nach dem Kunden sucht, den man mit einbeziehen sollte, dann nimmt man doch am allerbesten die junge Gesellschaft, die ja sowieso vor Ort ist: Also die Klasse selbst. Chefsoftwareentwickler für individuelle Gehirnsoftware: Die Schülerin, der Schüler. Kunde und eigentlicher Auftraggeber (merken die aber erst 20 Jahre später so richtig): Die Schülerinnen, die Schüler. Der vierte Satz aus dem Manifest ist wieder einfach zu übersetzen: Schau als Lehrperson, wie sich die Software bei den einzelnen Kunden entwickelt und lass dich nicht einfach nur vom Lehrplan durch das Schuljahr treiben. Der Kunde selbst sollte Ahnung vom gesamten Prozess haben, immerhin ist er ja auch gleichzeitig Entwickler.

 

 

 

Na ja, die Softwarebranche hat die Vorteile des agilen Arbeitens zwangsläufig sehr schnell erkannt. Weil die ersten, die mit agilen Konzepten gearbeitet haben, den Wasserfallkonzeptsoftwareschmieden haushoch überlegen waren. Logisch. Versteht jeder, der einfach mal in sich selbst als ganz normalen Menschen reinfühlt. Wenn ich für mich sagen soll, wo ich mehr Einsatz bringe: In einem Team, in dem ich selbst mitentscheide, wie man als Entwicklungsteam einer neuen Software weiter vorgeht oder als Aufgabenempfänger, der Pläne abzuarbeiten hat, dann würde ich meinen: Sie wissen natürlich ganz genau, wo Sie mehr Energie einsetzen und damit mehr bringen würden. Weil Sie ja ganz normal wie ein Mensch ticken.

 

Na ja. Und Schüler sind auch nur Menschen. Aber eben auch die wirklich zentrale Figuren in der eigenen Softwareentwicklung.

 

 

 

Und genau deshalb ist es an der Zeit, die Softwareschmiede Schule auf agil umzustellen. Das Entwicklerteam Lehrer-Schüler als Team zu begreifen. Weil eben erfolgreicher.

 

 

 

Für Schulen gibt es allerdings keinen Markt der Konkurrenz. Schulen, die sich schon agil aufgemacht haben (meist ohne es übrigens auch mit agil zu betiteln) haben keinen direkten Einfluss auf andere Schulen, weil diese anderen Schulen ja nichts direkt davon merken. Also etwa durch sinkende Schülerzahlen. Weil immer mehr Leute Schule agil einkaufen würden, wenn man Schule einkaufen könnte.

 

 

 

Wie kann man aber Schule trotzdem ins agile Zeitalter hieven? Weil es Sinn macht. Weil diese Zeit gewaltig im Umbruch ergriffen ist. Weil die Probleme dieses Planeten so drängend vor der Haustür stehen, dass die Köpfe, die morgen diese Probleme zu bewältigen haben, weil sie ins Haus getreten sind, möglichst selbstbewusst, stark, eigenständig, kritisch und selbstbestimmend sein sollten.

 

 

 

 

 

Kapitel 2

 

 

 

eduScrum setzt auf die Chefentwickler

 

Klar, es gibt schon Schulen, in denen heftig agil gearbeitet wird. Leuchtturmschulen werden sie manchmal genannt und sie bekommen dann oft auch Preise dafür. Deutscher Schulpreis heißt dann sowas, oder Schule des Jahres. Es gibt viele tolle Ansätze von Seiten der Lehrpersonen, wie man Lernkultur in Schulen bringen kann. Es bewegt sich etwas in der Schullandschaft. Viele Kolleg/innen, die merken, dass Fließband nicht mehr zeitgemäß ist. Gute Voraussetzungen also für einen Schritt ins agile Schulzeitalter. Aber Leuchtturmschulen und einzelne, wenn auch immer mehr Kolleg/innen, die Unterricht durch starkes Coaching auf Seite der Lehrpersonen verändern wollen, sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Das Fließband ist noch als Organisationsprinzip so dominierend wie eh und je. Wenn auch mit besserer Verpackung. Radikal anders wird Unterricht, wenn man die Chefentwickler*innen namens Schüler*innen ernsthaft mit ins Boot nimmt. Willy Wijands hat das am Ashram College in Alphen aan den Rijn in Südholland gezeigt, wie es gehen könnte. eduScrum hat er es genannt. Und die Sache basiert auf dem Scrum-Prinzip aus der agilen Softwareentwicklung. Ich muss hier erst einmal nicht viel dazuschreiben. Denn die Seiten von eduScrum verraten schon einmal sehr viel. Dort findet man auch einen richtigen Spielregelkatalog.

 

 

 

Kapitel 3

 

 

 

SPLITUP2WIN und das Einstiegsexperiment an der ganz normalen Schule

 

 

 

Wir haben uns vom Forum agil lernen und lehren auch unsere Gedanken dazu gemacht und stellen fest: Klasse Methode, aber für den normalen Lehrer in der normalen Schule eine heftig hohe Eingangshürde. Richtig viel Einsatz der Lehrperson dazu nötig. Also so einfach an der normalen öffentlichen Schule mit den normalen Lehrerkollegium und dem normalen Direktionsteam um die Ecke nicht wirklich umzusetzen. eduScrum setzt ein sehr hohes Maß an Haltung voraus. Und starke konsequente Einsatz der Lehrperson. Erst wenn eduScrum in einer gesamten Klasse über ein, zwei Jahre gelaufen ist, dann wird es zum agilen Selbstläufer. Das Forum agil lernen und lehren hat deshalb eine etwas kleinere Geschichte daraus gebaut, die man auch probehalber einmal in einer Klasse testen kann, um zu verspüren, wie sich agile Methoden eigentlich anfühlen. SPLITUP2WIN ist der aktuelle Arbeitstitel und man findet das Prinzip auf unserer Webseite  Wenn man sich mit Lehrer/innen aus der Stufe zusammenschließen kann, dann kann man auch mal die zweite Zusatzmethode mit einbeziehen. Projekt Reservetank ... ein Konzept, das praxiserprobt ist. Faust-Gymnasium Staufen. Jahrelang und erfolgreich. Und wohl auch in der Schweiz einigen Versetzungsgefährdeten geholfen hat .

 

Zusammen also Splitup2win

 

Bis hierhin sind es Ansätze, die noch allgemein gehalten sind und mit eduScrum, Luuise und dem Konzept Reservetank arbeitet. Zum Ausprobieren für ein Kapitel bzw. für ein Coaching auf der Metaebene für Versetzungsgefährdete.

 

 

 

Jetzt aber zu einem konkreten Konzept für die Einsteigerklasse an einem Gymnasium um die Ecke. Nicht Leuchtturmschule dazu notwendig, nur ein kleines Team und ein Schulleiter, der zulassen kann.

 

 

 

 

 

Kapitel 4

 

Der Verleih agiler Flügel - ein konkretes Konzept aus dem Hause agil lernen und lehren.

 

 

 

Hier skizzierte Idee basiert auf erfolgreich gelebten Projekten am Faust-Gymnasium Staufen - eingepackt in ein agiles Denkkonzept.

 

Teilkonzept 1 heißt Grundbildung. Vor 20 Jahren mit einem kleinen Lehrerteam für eine fünfte Klasse entwickelt und zusammen mit einer späteren Ärztin und einer späteren Journalistin konkret umgesetzt. Meine damaligen Mitstreiterinnen waren in der 12. Klasse und hatten ihre Hohlstunden so gelegt bekommen, dass sie mit den drei Grundbildungsstunden der Klasse zusammenfielen. Die Klasse hatte Grundbildung und eine Stunde Englisch, eine Stunde Deutsch und eine Stunde Musik weniger. Ich selbst war Klassenlehrer aber unterrichtete kein Fach. Ein starkes Experiment mit starkem Happy End. „Unsere Grundbildungsschüler/innen“ hatten 8 Jahre nach diesem Experiment einen Abiturschnitt von 1,9 ..  der Rest der Stufe von 2,5. Wir haben damals gut gefeiert, ohne es an die große Glocke zu hängen. Der didaktische Aufbau von Grundbildung war zwar sehr agil, aber auch sehr chaotisch in den Strukturen. Mit Hattie im Rucksack hätten wir den Erfolg auch gut begründen können, allerdings gab es die Studie damals noch nicht und auch keine passende Organisationsstruktur wie das heute mit agilen Konzepten möglich ist. Mehr im letzten pdf auf dieser Seite: Dem Link folgen.

 

Die beiden stärksten Hattie-Faktoren in der neuen Studie von 2017 sind der Lehreraustausch über die Klasse und den Unterricht mit 1,57 und die Selbsteinschätzung der Lernleistung schülerseits (1,33) und lehrerseits (1,29) Verstehen wie Schüler denken (1,28) und Schüler Experten sein lassen (1,2) lässt aus heutiger Sicht sagen: Klar musste das einen Erfolg bringen. Irgendwie. Irgendwann. Starke Faktoren bringen starke Wirkungen – und wenn es erst am Ende der Schulzeit ist. Das waren natürlich genau unsere zentralen Ansätze bei „Grundbildung“ vor 25 Jahren.

 

Teilkonzept 2 wie auch 3 wurden vor 10 Jahren ins Leben gerufen. Das Fünferhaus und der Flügelverleih. Ein eigener kleiner Pavillon mit 5 Klassenzimmern für 5 Anfangsklassen samt einer kleinen Aula und ein sehr innovatives und agil arbeitendes Lehrer*innenteam. Natürlich haben wir den Begriff agil nie verwendet, weil wir nichts davon wussten. Aber das Ding war Neuland und wir haben ausprobiert, verworfen, diskutiert, neu aufgestellt, optimiert, reflektiert ... oft zusammen mit unseren Schüler/innen bei Vollversammlungen in der fünferhauseigenen Aula. Ein Jahr später dann die Gründung des Flügelverleihs am Faust (kurz „Der Flügel“), einer selbst entwickelten Nachmittagsschule für Fünftklässler/innen ... Coachs waren Schüler/innen ab Klasse 9. www.fluegelverleih-am-faust.de war unsere Plattform für die Eltern.

 

So und jetzt der Versuch, mit der agilen Methodik ein agiles  Einstiegskonzept für eine fünfte Klasse  zu basteln.

 

Basteln ist hier agil gemeint: Also professionell ausprobieren. Den Mut besitzen, Neues zu wagen und dabei auch Fehler zu machen.

 

Deshalb müssen alle mit ins Boot. Direktion, Lehrer/innen, Eltern und Schüler/innen.

 

 

 

Aber mal langsam. Und lean-thinking. Kleiner Aufwand zu Beginn. Überschaubar. Nicht gleich mir der großen Theorie kommen ... Wir skizziere hier die Story ... ausprobieren, anpassen und entwickeln muss man es in der Praxis.

 

 

 

Fünfte Klasse ist sowieso ein Schnitt. Neue Schule, neue Klasse, neue Mitstreiter, neue Lehrer. Also kann durchaus eine neue Organisationsform dazukommen, ohne das das für Schüler/innen zusätzlich sonderlich aufregend ist. Neu und aufregend ist ja schon die Sache, dass man jetzt auf der Realschule, auf der Gemeinschaftsschule oder auf dem Gymi ist. Gute Startbedingungen für ein agiles Experiment.

 

 

 

Man hat den Eltern schon im Vorfeld signalisiert, dass man im nächsten Schuljahr ein Experiment  mit einer Klasse beginnen will. Eltern können bei der Anmeldung ankreuzen, dass ihr Kind auch in die agile Klasse kommen darf. 5a. Es gibt allerdings kein Recht auf 5a. Zufallsentscheidung plus Wohnort. Wie gehabt.

 

Nun benötigt man ein Lehrerteam, das richtig Lust hat, auszuprobieren, ob man mit der Visualisierung Gehirnsoftwareupdate plus agile Methoden sich nicht ein komfortables Arbeitsfeld Schule schaffen kann. Ziel eins: Den Kolleg/innen muss es dabei besser gehen als im üblichen Wasserfall-Fließbandmodus. Darauf ist strengstens vom Scrum-Master zu achten ... nehmen wir z.B. den Klassenlehrer oder die -in. Scrum-Team ist das Lehrerteam der Klasse. Die Regeln sind schlicht: Es muss Zeit für ein regelmäßiges Treffen des Scrumteams geben. Es darf natürlich auch völlig anders heißen. Denn es ist ja sowieso kein klassischer Scrum. Nur die agilen Elemente wie Kleinschrittigkeit, Ausprobieren als Professionalität, Augenhöhe für alle Beteiligten, Scrum-Board (oder besser Kanban-Board, da bringt man mehr unter), Sprint, Reviews und Retrospektiven, das sollte man als Grobraster ansetzen, um sich eine eigene Lernorganisationsstruktur zu bauen.

 

Hinzu kommt nun das Grundverständnis für das Lernen. Stichwort Gehirnsoftware updaten. Und der Schüler ist Chefentwickler. Muss in den Prozess einbezogen sein, damit der Prozess optimal abläuft. Für den Kunden (Schüler selbst und damit Gesellschaft) und für die Entwickler persönlich (Schüler wie Lehrer). Topsoftware äußert sich in guten Abschlussnoten. Der Rahmen ist vorgegeben - Lehrplan - aber man sollte sich als Team entspannen. Erst Ende Klasse sechs ist Deadline. Das Experiment läuft 2 Jahre.

 

John Hattie steht Pate. Auf Rang eins der neuesten Studie steht die Kommunikation der Lehrpersonen untereinander. Also natürlich über fachliche und schulische Inhalte. Genau das nutzt das Konzept. Nennen wir es - in Anlehnung an den Flügelverleih am Faust - den Verleih agiler Flügel. Kurz VaF. JJ Der VaF versteht sich als Entwicklungsmanufaktur für Gehirn-Software unter den Aspekten aktueller Bildungsstudien, speziell der Hattie Studie. Der Schuldirektor ist der Product Owner. Denn er hat darauf zu achten, dass die Schüler/innen am Ende der 6. Klasse fachlich zumindest so dastehen, als hätten sie den normalen Wasserfall-Unterricht absolviert. Dass sie im VaF natürlich viel mehr zusätzliche Kompetenzen einfahren ist zwingend. Weil die Prozesse im VaF völlig anders ablaufen und die Eigenständigkeit für Lernprozesse durch die Form des agilen Strukturaufbaus unausweichlich ist. Eltern müssen vorher klar, wissen, auf welches Experiment sie sich einlassen. Denn der große „Mehrwert“ von agilem Flügelverleih zum TopDown-Lernen zeigt sich noch nicht zwingend am Ende von Klasse sechs.

 

Die Mitspieler/innen:

 

ScrumTeam der Lehrpersonen sind 5 Fachlehrer/innen - die Klassenlehrperson muss natürlich mit dabei sein.

 

ScrumTeams der Lernenden sind Gruppen, die durch Fünfteln der Klassengröße entstehen. Frei gewürfelt. Warum 1/5 folgt gleich. Im Beispiel gehen wir von einer Klassenstärke von 25 aus. Also 5er Teams. Der Unterricht verläuft nach dem Prinzip SPLITUP2WIN ... allerdings stark portioniert. 5 Fächer sind involviert, in jedem Fach läuft bei jedem Kapitel ein Scrum-Team schneller als der Rest der Klasse, die ganz normal im verkleinerten Klassenverband unterrichtet wird. Zwischen den fünf Fachkolleg/innen existiert eine Absprache über die Länge der Zyklen, Sprints ... es bieten sich unterschiedliche Längen an, die in die Zeiten zwischen den Ferien, genannt Unterrichtszeit, passen. Wir denken an Zwei- bis Vierwochenzyklen.

 

In dieser Konstellation absolviert jede/r Schüler/in das ganze Jahr über in einem Fach mit seinem Team, das nach jedem Zyklus durch alle 5 Fächer neu (geschickt J) zusammengewürfelt wird, ein Fach im agilen Überholmodus. Und die Klasse erlebt dabei am Ende jedes Sprints ein Scrumteam, das als Lehrassistenz agiert und in der Diskussion um die optimalste Gehirnsoftware-Entwicklung die Position der Chefentwickler sehr gut einnehmen kann. Die Lehrer/innen erleben im VaF, dass auch schon Fünftklässler/innen ganz normale Menschen sind, die es lieben werden, ihre Entwicklerkompetenzen ausspielen zu können.

 

Zwei Rollen haben wir noch nicht aufgeführt. Da sind zuerst einmal die 5 Neuntklässler/innen, die die Scrum-Teams ein Jahr lang begleiten und - wie im Flügelverleih am Faust - auch an einem Hausaufgabennachmittag coachen. Hausaufgaben gibt es nicht. Dafür gibt es freie Zeiten, in denen die Schüler/innen mit ihren Lerntagebüchern arbeiten. Wie gesagt, einmal in der Woche unterstützt von ihrem Coach aus der Neunten. Diese Coachs sind als für Sprint Reviews mit im Boot und können von ihren Teams jederzeit um Hilfe angefragt werden. Sie bekommen für ihre Arbeit natürlich einen kleinen Ehrenamtsgehalt über Fördergelder des Jugendbegleiterprogramms. Nach dem Flügelverleih am Faust Vorbild. Nennen wir diese Coachs einmal VaF-Scrum-Coach, damit man mit dem Scrum-Master im Scrumteam pädagogisch experimentieren kann. Natürlich kann man Rollennamen auch komplett anders aufstellen, wir verwenden nur der Einfachheit Rollenbilder, die man aus den agilen Organisationsstrukturen schon kennt.

 

Wir würden auch noch einen Supervisor einführen, der für den Gesamtprozess als Prozessbegleiter fungiert. Und der im parallel aufgestellten Reservetank-Projekt für Schüler/innen mit Anlaufschwierigkeiten den Chefentwicklerblick einnehmen. Oberstufenschüler/innen ... Personal-Coachs für die gesamt Klasse ... ein Dreier-Team, damit auch dort ein Austausch stattfinden kann.

 

„Aber die Räume? Wie soll das denn gehen?“ höre ich manchen sagen. Wir meinen, wenn man das will, dann findet man Möglichkeiten. Und wenn man im Klassenzimmer selbst eine Zwischenwand mit Schallschutzplatten einbaut. Im Fünferhaus haben wir damals auch selbst Hand angelegt und uns unsere eigene Umgebung geschaffen. Aber in vielen Schulen stehen ja sogar Räume leer. Und bei Aufsichten gibt es inzwischen auch Videoüberwachung für die rechtliche Seite des Problems.

 

 

 

Kapitel 5

 

Konkreter Versuchseinstieg für eine/n einzelne/n Fünftklassklassenlehrer/in

 

 

 

Extrem wichtig bei allem: Grundlage ist das Selbstverständnis von den Schüler/innen, was ihre eigene Person betrifft. Ich erzähl es mal mit einem Mailwechsel innerhalb des Forums

 

 

 

Hallo Tobi...

 

was hältst du von der Idee, gar nicht die Besten, sondern aus jeder Leistungsgruppe eine/n zu nehmen (Bild) und ihnen Rollen zu geben. Wenn klar ist, dass die Leute mit den schlechteren Noten die besseren Fragen stellen können als die Käpsele, dann mach den Vierer zum Fragesteller, den Dreier zum Redakteur, den Zweier zum Unternehmer, der das Ganze im Blick halten soll und den Einser zum Wissenschaftler. Bilde crossfunktionale Teams ... die so einen Sprint aus verschiedener Perspektive beleuchten. Das ist doch genau das. Und später, wenn man nach einem Sprint die vier oder 5 Spezialisten für das nächste Kapitel (die sich natürlich auch Hausaufgaben geben dürfen: Recherche, Ausarbeitung etc) dann in den eigenen Unterricht einsetzt, dann könnten die ja auch rollieren, denn auch beim Erklären erklärt der Vierer sicher anders als der Einser ... vielleicht ja sogar besser.

 

Was meinst du? Heinz

 

 

 

Hallo Heinz

 

Klingt gut, glaube aber, der Fragesteller muss schon einiges von einer Sache verstanden haben, um gute Fragen oder überhaupt Fragen stellen zu können. Oft erlebe ich es so, dass keine Fragen kommen, weil gar nicht klar ist, wo bzw. wie man an ein Thema mit Fragen andocken könnte. Optimal wäre vermutlich ein Team von einem Vierer und einem Zweier. Der Zweier, der ganz gut durchsteigt, den Vierer durch das neue Gelände an die Hand nimmt und der Vierer so in der Lage ist, Fragen zu formulieren und den Blick des Zweiers für mögliche Verständnisschwierigkeiten schärft. Wenn die Struktur das hergibt...

 

Soweit

 

der Tobii

 

 

 

Hallo Tobi

 

Ja natürlich ... die vier oder fünf sind ja sowieso ein Team ... es geht ja beim Agilen auch immer um das Einnehmen verschiedener Rollen. Veronika vergibt manchmal richtige Fantasierollen in solchen Teams. Damit der Abteilungsleiter und die Sekretärin in einem Team auf Augenhöhe zusammen arbeiten können. Wenn also dann ein Jurist i.A. und eine Journalistin i.A. und ein Biolehrer i.A. und eine ITlerin i.A. (in Ausbildung) in so einem Team in deiner 5. Klasse zusammenarbeiten, dann muss ihnen zuallererst immer wieder vermittelt werden, dass dieses i.A. kein Spielchen ist, sondern der normale Gang der Zeit. Und dass es Sinn macht, wenn beim Programmieren von Gehirnsoftware, die ja für alle Berufe und Fachleute funktionieren soll, der Blick eines Juristen, einer Journalistin, eines Biolehrer und einer ITlerin viele Vorteile hat. Eigentlich kann jeder Fragesteller sein. Oder Abchecker. Oder Lückenfinder. Oder Board-Pfleger ... oder oder. Jeder kann für eine funktionierende Software einen wesentlichen Teil beitragen, wenn er den Entwicklungsprozess und die Softwareentwicklung und damit sich selbst ernst nimmt. Es muss jedem Schüler klar sein, dass eine schlechte Note in Mathe nicht heißt, dass man nicht später ein guter Mathematiker sein kann. Weil ja Denkweisen unterschiedlich sind und Geschwindigkeiten von Entwicklungen sowieso und Lücken aus der Grundschule vielleicht der Grund sind und überhaupt sind Noten nur Hilfsmittel, seinen Weg mit diesem Job Softwareentwickler gut hinzubekommen.

 

Wenn dann die Experten später in den Unterricht wieder eingebaut werden, sollten sie rollierend arbeiten, weil der Jurist anders erklärt als die ITlerin.

 

Praktisch würde ich übrigens ganz klein anfangen. So ein Roll-Trenn-Teil aus den Oberstufenräumen im Neubau (Wurden übrigens damals genau mit solchen Projekten unserer Hausaufgabenbetreuung angeschafft - nicht für die Oberstufe.) Und dann ausprobieren, wie das geht, wenn man ein Viererüberholteam hinter diese Wand setzt und ein Scrumboard an der Wand bastelt ... lass uns dran bleiben

 

Liebe Grüße

 

Heinz

 

 

 

So, jetzt wissen Sie, worauf sich das Bild am Anfang des Blogbeitrags bezieht.

 

                                                                                                          Otto Kraz