Kapitel 27 - Das dreibeinige Trampolin im Verlauf des Lebens

27 Das dreibeinige Trampolin im Verlaufe des Lebens

Wir hatten das Trampolin schon, aber ich würde es gerne noch einmal aufwärmen. Es sind drei Faktoren, die uns Menschen dazu bewegen, etwas wirklich zu wollen. Man nennt es Motivation, dieses Wollen wollen. Ein scheinbar unerklärbarer Antrieb für die Begeisterung der unterschiedlichsten Bereiche, Tätigkeiten und Aktionen. Mit Begeisterung lassen sich Dinge bewegen, die ohne Begeisterung undenkbar wären. Jeder kennt das von sich selbst. Gäbe es einen kleinen Schalter, den man im Unterricht immer dann anknipsen könnte, wenn es um wichtige neue Inhalte geht, dann gäbe es keine dieser typischen Schulprobleme mehr, die aus der Null-Bock-Schwingungen im Gehirn herrühren. Dann könnte jeder seine Fähigkeiten voll ausspielen, weil das Gehirn in den richtigen Momenten auf volle Power läuft. Lehrpersonen müssten immer nur anmerken: „Herrschaften, jetzt bitte den Schalter umlegen“ und 30 Gehirne würden im HighEnd-Modus arbeiten.“ Eigentlich schade,mdass es so nicht geht. Ich habe meinen Schüler:innen immer und immer wieder dieses obere Bild versucht, in den Kopf zu packen: Ein Umlegen des Schalters bewirkt zwei Dinge: Man arbeitet dann plötzlich in einem Gehirnareal, das viel effektiver lernen kann und auch viel nachhaltiger. Sich Dinge also viel besser merken kann. Der Folgeeffekt: Bessere Noten und viel mehr Freizeit. „Findet den Schalter, es lohnt sich“ - war meist meine Ansage. Klar, schon zu wissen, dass unser Gehirn so funktioniert, wirkt bei manchen Schüler:innen wie ein Schalter. Der Spaßfaktor, sein Gehirn bewusst zu manipulieren, indem man ihm einredet, dass der Unterricht jetzt echt spannend wäre … das ist aber natürlich schon hohe Kunst der Selbstdisziplin. Für den Abijahrgang 2007 hatte ich es in der 11. Klasse mit einem Motivationskalender versucht https://www.aufeigenefaust.com/otto-kraz/otto-kraz-rueckblick/vom-standstreifen-auf-die-überholspur/ „007-Kalender“. Ich hatte 2004 alle 3 elften Klassen in Physik übernommen, weil dieser Jahrgang bei meinen Physikkolleg:innen als so unmöglich und unmotiviert verschrien war, dass ich damals Lust bekam, genau dort mit einem Motivationskonzept anzutreten und alle drei Klassen übernahm und Physik zur Basis einer Motivationskampagne machte. Das Ergebnis? Der Abischnitt des Jahrgangs 007 war ganz normal wie in den Jahren zuvor … und das, obwohl man ihm düstere Abinoten prognostiziert hatte. 

Aber ich war dabei sowieso „nur“ das kleine Rädchen Physiklehrer in der Klasse 11, der viel über‘s Wollen wollen und den Schalter umlegen gesprochen hat. Heute würde ich trotzdem sagen, dass ich da ein wenig versucht habe, die Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan in der Praxis anzustupsen. „Chattie, sag bitte mal was dazu.“ -„Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation von Deci und Ryan ist eine wichtige Theorie, die sich mit der Motivation von Menschen auseinandersetzt. Die Theorie besagt, dass Menschen von Natur aus motiviert sind und dass ihre Motivation auf verschiedenen Stufen von Autonomie und Kontrolle abhängt.

Die Theorie unterscheidet drei Grundbedürfnisse, die für eine intrinsische Motivation von großer Bedeutung sind: Autonomie, Kompetenz und soziale Eingebundenheit. Autonomie bezieht sich darauf, dass Menschen das Bedürfnis haben, selbstbestimmt zu handeln und Entscheidungen zu treffen. Kompetenz bezieht sich darauf, dass Menschen das Bedürfnis haben, ihre Fähigkeiten zu verbessern und Herausforderungen zu meistern. Soziale Eingebundenheit bezieht sich darauf, dass Menschen das Bedürfnis haben, mit anderen in Beziehung zu treten und ihre Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu erfahren.

Die Theorie geht davon aus, dass wenn diese drei Grundbedürfnisse erfüllt werden, Menschen intrinsisch motiviert sind und sich mit ihren Tätigkeiten identifizieren. Wenn diese Bedürfnisse jedoch nicht erfüllt werden, kann dies zu einem Verlust an intrinsischer Motivation führen.

Die Selbstbestimmungstheorie ist wichtig für die Pädagogik, da sie zeigt, dass eine Lehrperson Schüler:innen unterstützen kann, indem sie ihnen das Gefühl gibt, dass sie Autonomie haben, ihre Kompetenzen verbessern und sich sozial eingebunden fühlen. Dies kann dazu beitragen, dass Schüler:innen intrinsisch motiviert sind und sich mehr für ihre Lernaktivitäten engagieren.“

„Hey Chattie, du bist ja witzig. Ihnen das Gefühl geben. :-) Ich meine eher: Gibt Schüler:innen mehr Autonomie, damit sie sozial eingebunden im Team ihre Kompetenzen spüren können. Deshalb: Schüler:innenschule 3.0 - den Schalter umlegen und das dreibeinige Trampolin auf Vordermann oder Vorderfrau bringen.