Ja gut, ich weiß. Kein großes Thema. Aber zumindest ein Nischenthema für ein paar junge Menschen, denke ich. Und weil ich gerade wieder experimentiere, stelle ich es hier einfach im Labor ein. Trial and error für alle, die es einmal ausprobieren wollen.
Ich habe dieses "Singend lernen" früher häufig für meine Abiturient:innen lustvoll ausprobiert. Formeln für's Abi singend in die Köpfe packen, das war die Grundidee. Ich würde meinen: Etwa 10-20% meiner Kurse haben es am Ende wirklich intensiv genutzt. Eben die -wenigen- Musikaffinen unter ihnen. Für die anderen war es zumindest eine kleine erfrischende Abwechslung. Es schadet nicht. :-)
Im Moment experimentiere ich als Pensionär und Opa mit einer Idee vom gesungenem Lesen-lernen. Trial&Error. Ich war kein Deutschlehrer ... deshalb möge man mir verzeihen, dass ich in "fremden" Revieren experimentiere. Aber als Opa reizt es mich einfach, einmal auszuloten, ob meine Enkel zu den 20% gehören, denen man mit Musik viele Wiederholungen schmackhaft werden kann. Und Lesen-lernen bedeutet einfach Wiederholung hoch zehn. Dann schafft es jede/r. Aber Wiederholung hoch zehn ist eben eine echte und riesengroße Herausforderung.
Leider haben es die einen leicht und die anderen schwerer. Theoretisch - das behaupte ich einfach einmal - könnte jede/r mit der nötigen Übung hoch zehn den Gipfel erreichen. Aber Lesen-lernen ist nicht so attraktiv für ein Gehirn wie Laufen oder Sprechen oder Autofahren lernen. Also stellt sich doch die Frage, mit welchen Tricks man dem Gehirn vormachen kann, das Lesen-üben hoch zehn attraktiv und cool zu finden. Vielleicht ja eben für Musikaffine eine kleine Chance. Wer weiß. Trial&Error eben. Ausprobieren ... aber bitte keine zu großen Erwartungen haben.
Mich hat früher als Mathe- und Physiklehrer am Faust-Gymnasium in Staufen immer genervt, dass meine Schüler:innen oftmals nicht in Mathe oder Physik Probleme hatte und deshalb Fehler in Klassenarbeiten und Klausuren einpackten, sondern weil sie nie problemloses automatisiertes Lesen gelernt hatten. Weil sie auch noch in der Oberstufe viel zu viel Anstrengung für das Verstehen von Aufgabentexten aufwenden mussten ... und dann viel zu oft genau deshalb nicht verstanden haben, was sie eigentlich mathematisch oder physikalisch zu lösen hatten. Gute Physiker:innen, die es selbst gar nicht merken, weil sie nie flüssig lesen gelernt haben und deshalb Physik-Aufgaben versieben, das ist schmerzlich. Zur Vertiefung geht es hier lang.
Zurück zum Singend-lesen-üben. Trial&Error. Als einer von der Hochschule für agile Bildung in Zürich setze ich natürlich auf den Charme des Unvollkommenen. Auf die Chance von Entwicklungsorientierter Bildung in allen Bereichen. Auf die Stärke des Scheiterns. Auf die Idee des gegenseitigen Inspirierens und Weiterentwickelns. Für Lehrende wie für Lernende.
In unserem Falle: Ein alter musikaffiner Schulmeister - übrigens ein begeisterter Entwickler von Sinnfreitexten, um sie mit Musik zu füllen - sieht Arbeitsblätter von seinem Enkel mit den Silben No Na Ni und Lo La Li und Mo Ma Mi und To Ta Ti und sein Kopf fängt an, daraus Sinnfreitexte zu basteln. Um dann an Klavier zu sitzen bzw um Cubasis 3 auf dem iPad zu bemühen, das er schon lange mal lernen wollte. Das erste Liedlein, das entstand, hörte sich so an und sah so aus. (Im Liederbuch das 6. Lied.)
Noch einmal: Die Stärke des Scheiterns ist die Zukunft der Bildung, die im Suchen nach neuen Wegen besteht. Weil man viel zu lange gemeint hat, Bildung müsste sich nicht nach der Entwicklung der Gesellschaft richten, sondern wäre eher als konstanter Faktor zu verstehen. Als Fels in der Brandung. Dabei sollte Bildung eher ein knallgelbes Gummiboot sein, das nie untergeht, aber dauernd auf der Suche nach neuen Inseln im Ozean der Weltgeschichte ist. Sorry ... Ich wollte eigentlich nur sagen: Wenn Sie jetzt den Kopf schütteln, dann ist das völlig ok. Wenn Sie aber gerne selbst mal experimentieren wollen, dann nur zu. Meine ich, der 40 Jahre lang junge Bürger:innen zum Abitur begleiten durfte. Meine ersten Schüler:innen gehen übrigens schon bald in Rente.
Stufe 1 … Die 7 Lieder zu diesen ersten Buchstaben o - a - i - n - m - l - t einfach immer wieder laufen lassen. Wie in einer Schleife … Dazu ist es wichtig, dass Ihre Tochter oder Ihr Sohn die Idee dahinter versteht. Die Lieder sind die „Trägersubstanz“ für die Silben, die man mit den 7 Buchstaben schon bilden kann … und ja sogar schon einzelne bekannte Worte wie Oma und Mama. Unser Gehirn speichert Melodien und Liedertexte durch reines Anhören genialerweise großartig ab, ohne dass man das als Lernen empfindet.
Stufe 2. Bewusstes Mitsummen. Und nochmal: Das Ziel muss Ihrem Kind klar sein: Ich will am Ende völlig mühelos, flüssig und schnell ohne dabei groß nachzudenken die bisherigen Silben lo la li ol al il no na ni on an in to ta ti ot at it mo ma mi om am im lesen können, egal in welcher Kombination sie auftauchen. Bei Namen kann man ja auch neue Wörter als normal empfinden … z.B. der große Amamol. Klar sollte auch der Umfang der Aufgabe sein. Mit 3 Vokalen (Selbstlaute) o, a und i und den 4 Konsonanten (Mitlaute) n, m, l und t gibt es 12 Silben mit ihren 12 Umkehrungen … also die 24 Silben dieser ersten Einheit. Damit unsere Sprache mit den 75 000 Wörtern in der Standardversion komplett erfasst werden kann, benötigt man nur noch die Vokale e und u und weitere 17 Konsonanten … samt den drei Umlauten ä,ö und ü. Insgesamt also nur 29 Buchstaben für die 10 000 bis 20 000 Wörter, die ein 6jähriges Kind schon in seinem Wortschatz hat, das es verstehen kann. 7 Buchstaben im Moment, 22 folgen noch: Es muss Ihrem Kind klar, sein, dass die Aufgabe überschaubar ist … aber dass es erst durch viel, viel Üben namens Lesen zu einer lockeren Angelegenheit wird, mit 75 000 Wörtern entspannt zu jonglieren.
Stufe 3. Wenn die 7 Melodien im Kopf angekommen sind und das Mitsummen funktioniert, kommen die 7 ausgedruckten Textblätter zum Einsatz. Lieder laufen lassen und nun bewusst auf die richtigen Silbenkombinationen zeigen, die groß gedruckt sind. Dabei benötigt Ihr Kind am Anfang Rückendeckung: Also bitte prüfen, ob dieses Zeigen schon richtig funktioniert. Nur Zeigen, noch nicht sprechen. Stufe 3 sollte am Ende anstrengungsfrei ablaufen können … am besten immer mit summen und dann auch ab und zu leise Silbenkombis mitsingen … bis in
Stufe 4 dann die großen Silbenkombinationen leise mitgesungen werden sollen. Ihrem Kind sollte klar sein, dass so ein Gehirn nur Stück für Stück diese riesige Herausforderung des flüssigen
Lesens umsetzen kann. Es ist wie beim Sport: Um am Ende Fußballprofi zu werden, benötigt der Kopf Tausende von Trainingsstunden. Wer gleich in einem Turnier spielen will, ohne zu trainieren, der
gibt frustriert auf. Es ist aber dasselbe Gehirn, das Fußball spielen können und flüssig lesen können steuert. Also nicht meinen, man könnte die ersten 4 Stufen übersprungen werden könnten um
gleich auf …
Stufe 5 zu starten: Laut Silben mitsingen … am Anfang mit Zeigen, am Ende ohne Zeigen … nur durch Mitlesen.
Stufe 6: Routine einbauen: Immer und immer wieder wiederholen. Das Gehirn bedankt sich dafür … So werden später viel leichter die fehlenden 22 Buchstaben mit ihren Silbenkombinationen
eingebaut werden können. Übrigens 8 Selbstlaute und Umlaute mal 21 Mitlaute macht 168 Silben mal zwei für die Umkehrung. Also „nur“ 336 Silben für 75 000 Wörter in der Standardsprache bzw
insgesamt etwa 500 000 Wörter im kompletten deutschen Sprachschatz, das hat doch was. Das ist überschaubar. Und mit Liedern umzusetzen.
Stufe 6: Man kann die Lieder nun auch einmal auf schneller stellen … viele Audio-Apps kennen diese Funktion. Dabei kann man sich als Mama oder Papa selbst mit in den Wettbewerb einbringen. Denn dort kann es leicht sein, dass Sie nach dem vielen Üben Ihres Kindes wie beim Memory spielen ganz schön alt aussehen. Und für Ihre Tochter oder ihren Sohn ein großartiger Ansporn sein wird.
Stufe 7: Am Ende kann man dann ohne die Musik das lockere Silbensprechen üben. Ich habe nach den Liedern noch kleine Trickfilmchen hochgeladen. Aber das können Sie auch selbst machen. Die 24 Silben in die Tastatur tippen, kopieren bis das Blatt voll ist, ausschneiden und dann mischen und nacheinander hinlegen. Das ist aber erst am Ende sinnvoll … denn der Spaßfaktor entsteht dabei nur durch den Wahnsinn des Könnens. Wenn man begreift, dass man es ohne Anstrengung kann.
Und die Texte zum Ausdrucken und Ausprobieren.
Nochmals: Dies ist ein reines Experiment. Es ist ein kleiner agil didaktischer Prozess. Andere in meinem Alter lösen Kreuzworträtsel, um sich fit zu halten. Ich texte gerade Sinnfreitexte für Erstklässler:innen. Man möge sich gerne bedienen. GEMA-frei. Bin selbst gespannt, was entsteht, wenn ich die nächsten Silbenarbeitsblätter geschickt bekomme ... Ich werde es hier dokumentieren. Und am Ende auch einsingen. Aber bis dahin empfehle ich: Selbst mal eine Gitarre oder ein Klavier benutzen und experimentieren. Ich war ja auch kein Musiklehrer. Meine Akkorde sind eher willkürlich. Man darf gerne daran arbeiten. Und vielleicht kann ich ja mit diesem kleinen Experiment ein paar Eltern oder Großeltern anstecken, selbst mit Sinnfreitexten zu operieren. :-)
Gruß
Otto Kraz
Vierfachopa
Ich habe mal die Liedlein mit den ersten Silben der ersten Klasse aneinandergehängt und auf Soundcloud hochgeladen. Dann kann man einmal versuchen, ob es Sinn macht: Alle sieben Blätter in die Hand des Lesenlerners bzw der -lernerin. Und dann loslegen lassen. Auf die Wörter zeigen, später leise mitsprechen, dann leise mitsingen ... später laut mitsingen. Wie eine Art Wettbewerb. Schaffe ich es am Ende, eine ganze Siebenerrunde durchzusingen?
Die Grundidee: Die Silbe kommt, leise sprechen … dann kommt sie von mir als Bestätigung. Vielleicht viel zu schnell für den Anfang. Aber: Es ist ein Experiment. Ich werde es sicher erfahren, wenn ich es langsamer regeln soll.
Und dann in der Dauerschleife zum Üben, Üben, Üben … erst langsam, dann schneller . Durch Klicken werden die Gifs groß.
Ich habe gerade schon auf mein Experiment hin von Anna aus Rostock einen Tipp bekommen. http://www.ori-superwoerterbuch.de/Was_bedeutet_ORI.html Soll ne erfolgreiche Methode zu sein. Vor langer Zeit erfunden und nie breit angewandt. Ein verlorener Schatz aus der Vergangenheit? Werde mich mal hineinvertiefen. Vielleicht kann man ja mit ORI Sinnfreiliedlein basteln. 😎😎
Es ist so ein Prinzip, alles um eine fette Mitte zu platzieren. Mit unseren bisher wenigen Silben also etwa so:
Soll heißen: Wer 336 Silben ohne nachzudenken flüssig, schnell und sicher lesen kann, der kann auch bald eine halbe Million Wörter flüssig lesen. Ist doch ein starkes Ziel.