Schülerschule meets eduScrum

Heinz Bayer

 

Ich erzähle Ihnen jetzt zuerst einmal eine ganz alte Geschichte … um dann aus dieser Geschichte die Kurve zum agilen Lernen und Lehren zu bekommen.

Ich war 35 Jahre lang Lehrer. Physik und Mathematik. Und die Story heißt Schülerschule.

Wir hatten vor einem Vierteljahrhundert am Faust-Gymnasium in Staufen als Team nach 10 Jahren intensiver Vertrauenslehrerarbeit etwas komplett Verrücktes festgestellt:

Schüler/innen sind ganz normale Menschen, nur jünger!

Sie sind Lehrkraft und Sie wussten das schon? Das haben Sie auch wirklich verinnerlicht? Chapeau. Wir haben für diese Erkenntnis 10 Jahre benötigt. Wussten Sie auch, dass man mit diesen normalen jungen Menschen außerhalb des Unterrichts den  Wahnsinn veranstalten kann, wenn man ihnen den nötigen Raum und genügend Vertrauen gibt? Wussten Sie auch schon? Ganz großer Respekt.

Dann ist agiles Lehren für Sie genau das Richtige.

Zum Beispiel EduScrum. Ich habe bisher nur davon gelesen und gehört. Aber die Grundidee finde ich als alter Praktiker, der verinnerlicht hat, dass Schüler/innen trotz Pubertät ganz normale Menschen sind, ganz wunderbar.

„Gebt Jugendlichen maximal viele Möglichkeiten, sich zu ­begeistern, sich zu beweisen, sich einzusetzen, aktiv zu werden, selbst Inhalte zu finden, eigene Fähigkeiten zu entdecken, ernst genommen zu werden – dann habt ihr viel für die Zukunft getan“, hatten wir damals zu EXPO-Zeiten beschrieben, wie wir unsere außerunterrichtliche Arbeit sahen. Mit dem Konzept „Schülerschule“ vertraten wir … 3 Lehrer und 50 hochaktive Schüler/innen …. Baden-Württemberg mit einem eigenständigen Expo2000 Projekt. Die Jury fand das Konzept deshalb expo-würdig, weil sie solche Möglichkeiten gerne selbst in ihrer eigenen Schulzeit gehabt hätten. Haben sie uns auf Nachfragen erzählt, weil wir selbst ein wenig irritiert waren, dass unsere Bewerbung so einfach genommen wurde. Klar, wenn Politiker, Wirtschaftsführer und andere Macher an ihre eigene Schulzeit zurückdenken, dann ist Schule meist zu eng, zu reglementiert, zu lehrplangesteuert und zu ausbruchsicher.

Wir hatten damals einfach Folgendes gemacht. Weil Jugendliche ja ganz normale Menschen sind, haben wir die schon an der Schule komplett selbstständig rangelassen. Zum Beispiel die zukünftigen Journalist/innen an Jahrbücher, Infoblätter, Webseiten und Zeitungen, zukünftige Organisatoren aller Art an Musikveranstaltungen. zukünftige ITler ans Schulnetz, usw. Win-Win für jede Schule. Nein, keine AGs, eher selbstständige Schülerfirmen der besonderen Art, Teams ohne Lehrer, selbstplanend und selbstagierend. Wir Verbindungslehrer waren sowas wie ein Back-Office. So würde man das wohl bei den Agilen bezeichnen.

Wenig Einsatz, große Ausbeute. Rockcaféteam, OpenAir Team, Tonstudio-Team, Netzwerkteam, Eventmanagement-Team, Jahrbuchteam, Solare Zellen, Hausaufgabenbetreuungsteam, Filmteam, Grafikteam, Schülerbüroteam und und und. Diese normalen jungen Menschen und zukünftigen Leistungsträger mit ihren vielfältigen Fähigkeiten brachten viele viele Teams auf die Welt. Und wenn die Aktiven Abi machten, ohne Nachfolger zu haben, dann gab es das Team eben nicht mehr. Gearbeitet haben sie in der Rückerinnerung wie Scrum-Teams. Haben sich immer wieder neu ausprobiert. Immer wieder neu aufgestellt und nach Optimierung gesucht.

Ja klar, außerunterrichtlich. Sie haben ja recht. Und auch nur die Aktiven und Hochaktiven. Also außerunterrichtlich aktive Scrumteams und die Scrummaster dazu.

Aber bitte. Warum sollte es nicht auch im Unterricht selbst funktionieren. EduScrum in den Niederlanden lässt grüßen. (http://eduscrum.nl/de/) Klar, für den Unterricht benötigt man ein anderes Konzept. Im Außerunterrichtlichen reicht für die Aktiven der bereitgestellte Freiraum und los geht’s. Im Unterricht braucht es einen klaren starken Rahmen, in dem der freie Raum fest integriert ist. Haltegriffe für die nicht so Aktiven. Agilität. Scrum. Warum eigentlich nicht. Was in der Wirtschaft und in der Verwaltung Prozesse zum Teil extrem verbessern kann, kann in der Schule nicht falsch sein. Schüler/innen sind normale Menschen. Wir hatten das schon.

 

„Gebt Jugendlichen maximal viele Möglichkeiten, sich zu beweisen, sich selbstständig und eigenverantwortlich  Lehrplaninhalte anzueignen, aktiv zu werden, ernst genommen zu werden, dann habt ihr viel für die Jugendlichen selbst und für die Entwicklung des Unterrichtens getan.“

So würde ich EduScrum und andere agilen Ansätze im Lernen und Lehren beschreiben, wie die Bedeutung einer jederzeit möglichen agilen Entwicklung für den eigenen Unterricht zu sehen ist. Das Tolle an der Sache: Wer aufbrechen will, seinen Unterricht agil zu gestalten, der kann das ja jederzeit tun. Agilität passt in den Einzelunterricht und in den ganz normalen Lehrplan. Man muss sich allerdings trauen, es auszuprobieren.

Wir werden in den folgenden Monaten dieses Thema konkreter beleuchten … Schulen, Hochschulen, berufliche Bildung … Samt EduScrum oder anderen agilen Ansätze für Ihren Unterricht.

Denn eines wird Ihnen selbst klar, wenn Sie sich einmal die erfolgreichsten Projekte Ihrer eigenen Arbeit betrachten: Da steckte sicher sehr oft viel Ausprobieren, Ernstnehmen und Freiraum für Ihre Schüler/innen und dauerndes Anpassen dahinter. Also agiles Lernen.

Wir bleiben dran.