Kapitel 3 - Schüler:innenschule 3.0

Schüler-/Lehrer-innenschule 3.0 

Starten wir doch einmal mit unserem neuen scheinbar Alleswisser. Ich nenne sie der Einfachheit halber einmal Chattie. Die künstliche Computersoftware. Denn einmal ganz ehrlich: ChatGPT & Co wird man nicht mehr aus unserer Welt wegbekommen. Für viele mag das eine komplette Gruselvorstellung sein. Ein Computergehirn, das ziemlich viele Prüfungen bestehen kann, wie man Stück für Stück feststellt. Hilfe, wie soll man da noch „normal“ unterrichten und Noten geben. Schüler:innen werden doch viel schneller mit den neuen Herausforderungen umgehen können, als das ihre Lehrer:innen im Schnitt können. Befragen wir doch mal Chattie dazu:

Wie sieht für dich die Bildung der Zukunft aus?“ Chatti meint: Es ist schwer vorherzusagen, wie sich die Bildung in der Zukunft entwickeln wird, aber es gibt einige Trends, die darauf hindeuten, dass die Bildung zukünftig personalisiert, technologiegestützt und vernetzt sein wird.Personalisierte Bildung: Bildung wird immer stärker auf die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Lernenden ausgerichtet sein. Dies bedeutet, dass Schüler und Studenten eine größere Rolle bei der Gestaltung ihres Lernprozesses spielen werden.Technologiegestützte Bildung: Technologien wie KI, Augmented Reality und Virtual Reality werden immer stärker in den Bildungsbereich eingebunden sein. Sie können dazu beitragen, den Lernprozess ansprechender und effektiver zu gestalten.Vernetzte Bildung: Die Vernetzung von Schulen, Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen wird immer wichtiger werden. Dies ermöglicht den Austausch von Wissen und Ressourcen und fördert den Zugang zu Bildung.In der Zukunft kann man erwarten, dass Bildung noch stärker personalisiert, technologiegestützt und vernetzt sein wird und dass Lernende eine größere Rolle bei der Gestaltung ihres Lernprozesses spielen werden.“

Schön zu hören.😎😎 Der Trend deutet darauf hin, dass wir in eine Zukunft der entwicklungsorientierten Bildung schlittern. Man muss sich immer wieder klarmachen, wie Chattie darauf kommt. Sie (die Computersoftware) durchforstet dafür ungezählte Dokumente im Internet und bildet sich daraufhin seine Meinung: In Sekundenbruchteilen. Was das Gros der Lehrpersonen bzw der Entscheider:innen in den Bildungsbehörden denkt, das erfasst diese Chattie nicht. Denn das Gros der Lehrer:innen schreibt ja über den eigenen Unterricht und die Überlegungen dazu nicht im Internet. Eine Bildungs-Studie von Microsoft hat sogar berichtet, dass Gespräche über den eigenen Unterricht in den Lehrerzimmern dieser Welt einen extrem kleinen Teil annehmen. Was Chattie meint, ist also selbst Zukunftsmusik. Selbst Unterrichts-Vernetzung mit den eigenen Kolleg:innen der Schule samt Zusammenarbeit ist noch selten zu finden. Obwohl in der allerneuesten Hattie-Studie von 2018 an oberster Stelle mit 1,57 Effektstärke die Zusammenarbeit der Lehrpersonen steht. Collective teacher efficacy. Also „kollektive Lehrereffizienz“. Der schulische Alltag wird aber noch immer zu einem großen Teil vom Einzelkämpfer:innendasein der Lehrpersonen bestimmt. Wer bemerkt, dass das an seiner Schule anders ist, darf sich einfach nur glücklich schätzen.

 

Aber ich nehme hier Chatties Prognosen gerne auf, um zu fragen, wie man am besten den Übergang zu bildungsorientierter Bildung an allen Schulen als Standard der Zukunft angehen könnte. Denn, das muss an dieser Stelle auch einmal gesagt werden: Entwicklungsorientiert zu unterrichten entlastet Lehrpersonen sehr, auch wenn es in der Übergangsphase Mehrarbeit benötigt … allerdings eher gefühlt als in Stunden ausgedrückt. Den um sich von einem klassischen Lehrer zum entwicklungsorientierten Feedbacker zu entwickeln, muss man seine eigene Rolle ziemlich verändern. Richtig entlastend wird die Sache natürlich erst, wenn sich entwicklungsorientierte Bildung als normales Konzept eingebürgert hat. Wenn einzelne Lehrer:innen mit dem Konzept im üblichen Schulalltag stundenweise aufschlagen, dann muss schon sehr viel Energie aufgebracht werden, weil die Schüler:innen bei dem Konzept ja viel mehr gefordert sind als in den anderen Fächern. 

Mit der Idee Schülerschule 3.0 (Eigentlich natürlich Schüler:innen/Lehrer:innenschule 3.0) will ich jetzt aber noch weitergehen als Chattie. Schülerschule 3.0 ist für mich eine Idee, Schüler:innen direkt in das Unterrichtsgeschehen mit einzubeziehen. Split4WinWin ist da nur ein kleiner Anfang. Es müsste die ganze Schulgemeinde umfassen, weil Schülerschule 3.0 nicht parallel zur klassischen Unterrichtsstruktur funktioniert. Aber wie? Ich habe hier keinen Plan dafür. Nur Ideen, die ich gerne weitergebe. Schülerschule 3.0 sehe ich als Antwort auf ein Problem, das in den nächsten Jahren an Brisanz zunehmen wird: Lehrermangel. Die Entwicklung ist mit den üblichen Methoden  nicht mehr zu stoppen, denn es fehlen Fachkräfte in allen Bereichen. Schule besitzt aber - im Gegensatz zu den meisten Bereichen - einen riesigen ungehobenen Schatz. Schüler:innen mit ihrem Schülerwissen und ihren Fähigkeiten von reziprokem Lernen. „Chattie, was meinst du dazu? Was bedeutet „Reziprokes Lernen“ und wie hoch ist die Effektstärke von diesem Faktor bei der Hattie Studie?“ "Reciprocal Learning" bezieht sich auf einen Lernansatz, bei dem Schülerinnen und Schüler sich gegenseitig beim Lernen unterstützen. Dies kann beispielsweise durch Partnerarbeit oder Gruppenarbeit erreicht werden, bei denen Schülerinnen und Schüler ihr Wissen teilen und miteinander diskutieren. Laut der Hattie Studie hat "Reciprocal Learning" eine Effektstärke von 0,74, was bedeutet, dass es eine signifikante positive Wirkung auf den Lernfortschritt hat.“

Danke dir.“ Ich stimme Chattie zu … weil ich ja ein Hattie-Studien-Überzeugter bin. Wenn das  schon im klassischen Unterricht eine signifikant positive Wirkung hat (alles mit einer Effektstärke von über 0,4 ist über das übliche Maß hinaus mit einer positiven Wirkung ausgestattet), dann macht es doch definitiv und logischerweise Sinn, Ideen zu entwickeln, die reziprokes Lernen zu einem viel stärkeren Gesamt-Konzept machen. 

„Chattie sag mal was zu folgender Hattie-Geschichte: In der Studie - https://visible-learning.org/de/hattie-rangliste-einflussgroessen-effekte-lernerfolg/ -steht bei Fachkompetenz der Lehrperson 0,09 und bei der Qualität der Lehrperson aus Schülersicht steht 0,44. Was bedeutet dies?“ -

Die Zahlen 0,09 und 0,44 sind Effektstärken, die in der Hattie-Studie ermittelt wurden. Die Effektstärke ist ein Maß für die Wirksamkeit einer bestimmten Intervention oder Faktor auf den Lernfortschritt von Schülerinnen und Schülern. Ein Effektstärkewert von 0,09 bedeutet, dass eine Fachkompetenz der Lehrperson einen geringen Einfluss auf den Lernfortschritt hat, während ein Wert von 0,44 bedeutet, dass die Qualität der Lehrperson aus Schülersicht einen höheren Einfluss auf den Lernfortschritt hat. Effektstärken von 0,4 bis 0,7 gelten als mittelstark, während Werten über 0,7 als stark gelten.“

„Danke Chattie.“ Ich will hier nicht die Hattie Studie überstrapazieren, aber ich finde es schon sehr bemerkenswert, dass die fachliche Kompetenz der Lehrperson in der weltweit größten Bildungs-Metastudie solch einen geringen Einfluss auf das Lernen der Schüler:innen besitzt. Obwohl es mir natürlich klar sein müsste, weil ich 40 Jahre als Schul-Praktiker gearbeitet habe. Die fachlich besten Kolleg:innen waren ja nicht schlüssig die, bei denen Schüler:innen auch fachlich am meisten lernten. Da ist die Klarheit der Lehrperson mit 0,75 und die Lehrer-Schüler-Beziehung mit 0,72 für die Qualität als Lehrperson viel höher zu bewerten. Und dann da natürlich Feedback, Feedback, Feedback. Und Formative Evaluation des Unterrichts steht in der Studie von 2009 ganz hoch im Kurs: Effektstärke 0,9. „Chattie, Formative Evaluation besitzt in der Hattie-Studie eine Effektstärke von 0,9. Was bedeutet formative Evaluation und warum ist sie so effektiv?“

Formative Evaluation ist eine Methode der Lehr- und Lernbewertung, bei der kontinuierliches Feedback zu den Fortschritten und Bedürfnissen des Lernenden gegeben wird, um das Lernen zu unterstützen und zu verbessern. Formative Evaluation unterscheidet sich von summativem Evaluation, bei dem am Ende eines Lehr- oder Lernprozesses bewertet wird, indem sie den Lernprozess selbst bewertet und verbessert. Die hohe Effektstärke von 0,9 in der Hattie Studie zeigt, dass formative Evaluation ein wichtiger Faktor für den erfolgreichen Lernprozess ist. Durch regelmäßiges Feedback und eine Anpassung des Unterrichts an die Bedürfnisse und Fortschritte der Schüler kann die Lehrkraft eine bessere Lernumgebung schaffen und den Lernfortschritt fördern. Außerdem fördert formative Evaluation die Motivation und das Engagement der Schüler, was wiederum zu einem besseren Lernresultat führt.“

„Ja danke Chattie. Hätte ich nicht besser formulieren können“ (Für die:den Leser:in: Ich musste ein wenig nachfragen, weil Chattie zuerst nicht die richtige Effektstärken ausgespuckt hatte, wie sie offiziell nachzulesen sind. https://visible-learning.org/de/hattie-rangliste-einflussgroessen-effekte-lernerfolg/ Und damit auch die falschen Schlüsse gezogen hat. Fazit: Nutze Chattie, aber halte deinen eigenen Verstand und dein Wissen immer aufmerksam und konzentriert dabei zusammen. Denn merke: Chattie ist auch nur ein Verstand, wenn auch ein ziemlich ausgeprägter.🤪🤪

Vieleicht geht ja in ein paar Jahren die Reise zu Aufgabenstellungen wie dieser: „Entwickle zusammen mit Chattie ein Konzept zur Lösung des Problems und trage das Ergebnis dann selbstständig vor. Stelle dich Fragen dazu.“ 

Aber nochmals zu der Grundidee Schülerschule 3.0 : Wenn man es schaffen könnte, Schüler:innenwissen und -kompetenz organisch mit in den Schulalltag einzubauen, dann gäbe es keinen akuten Lehrermangel mehr. Unter dem Aspekt wären sicher auch so manche Quereinsteiger grandiose Lernbegleiter:innen …