Kapitel 34 - Das Problem der Abgehängten lösen

Das Einstiegsbild für das Projekt Reservetank

34 Das Problem der Abgehängten lösen

Ich will dieses Kapitel am liebsten von Sascha beschreiben lassen, der im Vorwort für das Skript zum Reservetank-Projekt für 77 nichtversetzte Schüler:innen an 17 Schulen aus Baselland Klasse 9 angesetzt wurde, weil sie am Ende versetzt werden mussten - also sollten. Durch die „große Harmonisierung“ im Bildungssystem gab es für diese 77 Schüler:innen keine Nachfolgeklassen mehr, in die sie sitzenbleiben konnten. Also musste ein völlig anderes Konzept her. Das Problem der Abgehängten lösen. Aber jetzt zuerst einmal Sascha als Gesicht der Kampagne. Sascha selbst war selbst einmal ein Abgehängter, der aber irgendwann seinen Schalter umlegen und dann seinen Traum erfüllen konnte: Pilot zu werden. Heute fliegt er große Boings bei der Swiss-Air.

„Es ist mir eine Freude, Euch auf einer ganz speziellen Flugreise zu begleiten.

Lehnt Euch zurück, entspannt Euch, schaltet dieses Mal die elektronischen Geräte ein, geniesset Euren Flug und vergesst nicht, uns auf www.faust-digital.jimdo.com zu folgen.

Ihr fragt euch sicher, was so ein Swiss-Pilot wie ich mit eurem Versetzungsprojekt zu tun hat.

Na ja, ich war vor gut zehn Jahren in eurer Situation. 9. Klasse - Faust Gymnasium Staufen - südlich von Freiburg. Die Schule mit dem üblichen Unterricht fand ich schon sehr lange eher langweilig und ätzend. Also schwebte eigentlich die dauernde Versetzungsgefahr über meiner schulischen Biographie - mein Klassenlehrer in Klasse fünf, jener Heinz Bayer, der sich in eurem Projekt Otto Kraz nennt, hatte mir früh davon erzählt, dass ich nur den Schalter umlegen müsste, erst dann könnte ich meine Fähigkeiten ausspielen, die ich besitzen würde. Jeder hätte einen Reservetank und die meisten würden meinen, sie hätten keinen. Ich habe das mit 11 Jahren nicht verstanden, was er damit gemeint hatte. Aber mit 15 habe ich den Schalter gefunden. Konnte plötzlich auf der Metaebene Richtung Abitur gleiten und habe ab diesem Zeitpunkt Schule mit links gemacht.

Keine Sorge: Durchschnittsnoten. Das reicht ja auch. “Es gibt keine Studie, die einen Zusammenhang zwischen Schulnoten und späterem beruflichen Erfolg herstellen kann,” sagt Otto Kraz immer und “Noten sind nur Wegweiser.” Als Schüler kamen mir diese Aussagen meines Lehrers oftmals ein wenig komisch vor. Heute muss ich sagen: Der Mann hat recht.

Ich hatte einen Traum. Ich wollte schon als kleiner Kerl immer Pilot werden. Als ich auf einer Urlaubsreise einmal neben dem Flugkapitän sitzen durfte, hatte es mich gepackt. Im Dauermodus “versetzungsgefährdet” rückte dieser Traum allerdings ins Traumland. Doch nach diesem Schalter-umlegen in der neunten Klasse kam ich ihm wieder näher ... völlig verrückt, was damals mit mir geschah. Und heute weiß ich: Otto Kraz und diese Projekte für Versetzungsgefährdete, die es am Faust-Gymnasium lange Zeit gab, funktionieren einfach deshalb, weil es Methoden sind, die man selbst in der Hand hat.

Euer Sascha

p.s. Ich werde euch in Zukunft immer, wenn ich über Baselland fliege, die Daumen drücken, dass ihr den Schalter findet, um selbst abzuheben.“ 

Mehr dazu unter https://faust-digital.jimdofree.com/material-zum-projekt/

Meine zentrale Aussage heißt: Alle Menschen besitzen einen Reservetank, den sie aktivieren können, wenn sie ihn wirklich aktivieren wollen. Das Schalter-umlegen findet ja sowieso auf einer  Metaebene statt. Auf die muss man sich begeben können. Ich hatte in einem früheren Kapitel schon einmal auf die Seite 216 im pädagogischen Schweizermesser verwiesen. Dort habe ich unsere positiven Erfahrungen am Faust-Gymnasium mit dem Reserven-mobilisieren-statt-Nachhilfe beschrieben. Über diese Erfahrungen kam die Idee auch in der Schweizer Fortbildungsszene an und ich so zu dem Auftrag, bei den 77 nicht versetzte Jugendliche mitzuhelfen, den Schalter umzulegen. Hat übrigens auch funktioniert … wobei jeder Jugendlichen an seiner Schule natürlich eine eigene Begleitlehrperson an seiner Seite hatte.